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Ein deutscher Priester hilft gefangenen französischen Widerstandskämpfern

Im September 1990 wurde die Esplanade vor dem Mémorial de la Résistance auf dem Mont Valérien in der Nähe von Paris nach Franz Stock benannt. Innerhalb einer der wichtigsten französischen Widerstandsgedenkstätten wurde damit ein deutscher katholischer Priester geehrt. Franz Stock wurde 1904 in einer westfälischen Arbeiterfamilie geboren und studierte Theologie. 1926 nahm er am Internationalen Demokratischen Friedenskongress teil, dessen Motto „Frieden durch die Jugend“ lautete. Er setzte seine Studien in Paris am Institut Catholique fort. Zwei Jahre nach seiner Priesterweihe 1932 in Paderborn wurde er zum Rektor der Deutschen Katholischen Mission in Paris ernannt. Zu den 500 Personen der Gemeinde kamen bald viele deutsche und österreichische Exilanten hinzu, die vor den Nazis geflohen waren. Am Vorabend des Krieges wurde er nach Deutschland zurückgerufen. Nachdem Frankreich besiegt war und besetzt wurde, übernahm er im Oktober 1940 wieder die Leitung der Mission.

Nachdem er 1941 zum Gefängnisseelsorger in Paris ernannt worden war, unterstützte er die Häftlinge, egal welcher Glaubensrichtung oder wenn sie konfessionslos waren. Fast alle waren zum Tode verurteilte Widerstandskämpfer. Er begleitete sie bis zu ihrer Hinrichtung auf dem Mont Valérien. Trotz des Verbots der Besatzungsmacht, der er unterstand, betätigte er sich heimlich als Kurier zwischen den Familien und den inhaftierten Widerstandskämpfern.

Bei der Befreiung Frankreichs steht Stock verwundeten deutschen Soldaten bei und begibt sich dann in französische Kriegsgefangenschaft. Als die Pariser Seelsorge beschließt, ein Seminar für kriegsgefangene deutsche Theologen zu gründen, als Beitrag zur Demokratisierung des neuen Deutschlands, bittet sie ihn, die Leitung des Seminars zu übernehmen. 1945 öffnete das „Seminar hinter Stacheldraht“ seine Türen in Coudray in der Nähe von Chartres. Bis zu seiner Auflösung im Jahr 1947 wurden dort fast 1.000 zukünftige Priester ausgebildet. Einige von ihnen wurden zu wichtigen Persönlichkeiten der katholischen Kirche in Deutschland. Franz Stock, der danach in Paris geblieben war, starb im Februar 1948. Im Jahr 1963, nach der Unterzeichnung des deutsch-französischen Kooperationsvertrags, wurde sein Leichnam feierlich nach Chartres überführt. Die Grabplatte trägt die Inschrift: „Les familles des prisonniers et fusillés français reconnaissantes“ (Die Familien der dankbaren französischen Gefangenen und Erschossenen).

Anlässlich Franz Stocks 50. Todestages wurde 1998 in der Kathedrale von Chartres vom Erzbischof von Paris in Anwesenheit von Bundeskanzler Helmut Kohl ein Pontifikalamt zelebriert. Am Ort des ehemaligen „Stacheldraht-Seminars“ wurde das Europäische Begegnungszentrum Franz Stock gegründet, ein Ort des Gedenkens und des Austauschs. Seit 2009 läuft der Prozess zur Seligsprechung von Franz Stock.

 

Corine Defrance

Quellen
  • Franz Stock, Journal de guerre, 1942-1947. Écrits inédits de l’aumônier du mont Valérien , Paris: Éditions du Cerf, 2017
  • Franz Stock – Wegbereiter der Versöhnung. Tagebücher und Schriften , Verlag Herder, Freiburg.i.Br., 2017
Weitere Informationen
  • René Closset, Franz Stock, aumônier de l’enfer, Paris: Sarment, 1992
  • Boniface F. Hanley, The Last Human Face: Franz Stock, a Priest in Hitler’s Army, 2010
  • Jean-Pierre Guérend, L’abbé Franz Stock (1904-1948): précurseur de la réconciliation franco-allemande et de l’unité de l’Europe, Mesnil-Saint-Loup: Le Livre Ouvert, 2008.
  • Website über Franz Stock: https://www.franz-stock.org/index.php/en/ [also in French and German].

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