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Tarnnamen und gefälschte Ausweise

Als die 18-jährige Madeleine Riffaud sich im besetzten Paris einer Widerstandsgruppe anschloss, wurde sie gebeten, einen Tarnnamen zu wählen. Sie entschied sich für „Rainer“, weil sie die Gedichte von Rainer Maria Rilke mochte. Ein Mitglied ihrer Gruppe war schockiert: “Du kannst doch nicht einen deutschen Namen wählen!“ Aber ein anderer antwortete: „Warum nicht? Wir kämpfen gegen die Nazis, nicht gegen die Deutschen“.

Tarnnamen, oder noms de guerre, waren ein unverzichtbarer Bestandteil von Widerstandsgruppen und -netzwerken. Der richtige Name eines Widerstandskämpfers war nur ganz wenigen bekannt, und die Kommunikation mit anderen Mitgliedern desselben Netzwerks und externen Kontakten erfolgte nur mit den Tarnnamen. Dies geschah, um sich und andere zu schützen: Falls jemand von den Besatzern verhaftet und gefoltert [link to story 99] wurde, konnte er oder sie die wahre Identität seiner oder ihrer Kontakte nicht preisgeben.

Die Namen konnten zufällig ausgewählt werden, aber oft folgten sie einer gewissen Logik und hatten eine bestimmte Bedeutung. Alle Mitglieder des französischen Netzwerks „Alliance“ wählten Tiernamen und die deutsche Polizei taufte die Gruppe auf den Namen „Arche Noah“. Um ihre Sicherheit zu erhöhen, änderten die Widerstandskämpfer häufig ihren Kampfnamen. Bevor er „Valter“ wurde , war Vladimir Perić [link with story 65] „Petruškin“, „Ivica“ und „Popaj“ (in Anlehnung an die berühmte Zeichentrickfigur Popeye).

Im Falle Jugoslawiens ist „Valter“ ein Beispiel für eine viel längere Praxis der Verwendung von Pseudonymen innerhalb der kommunistischen Bewegung. Bevor er zu „Tito“ wurde, benutzte auch der jugoslawische Kommunisten- und Partisanenführer Josip Broz den Namen „Valter“, wahrscheinlich in Anlehnung an die Pistole Walther, und unter diesem Namen führte er auch in den Kriegsjahren seine Korrespondenz mit Moskau.

Einige Widerstandskämpfer identifizierten sich so sehr mit ihrem Namen, dass sie ihn nach dem Krieg beibehielten. Tito wurde unter seinem Pseudonym weltberühmt. Jacques Delmas, der den nom de guerre „Chaban“ gewählt hatte, wurde nach dem Krieg unter dem Namen Jacques Chaban-Delmas ein bekannter französischer Politiker.

Der nom de guerre ist nicht mit einer falschen Identität zu verwechseln. Widerstandskämpfer besaßen häufig gefälschte Ausweispapiere, was ihnen ein scheinbar normales Leben ermöglichte. Der polizeilich gesuchte Historiker Marc Bloch lebte 1943 in Lyon mit falschen Papieren unter dem Namen Maurice Blanchard, während er für sein Widerstandsnetzwerk „Narbonne“ hieß, in Anspielung auf die schöne mittelalterliche südfranzösische Stadt. Die meisten Widerstandsnetzwerke versorgten ihre Mitglieder mit falschen Identitätspapieren, oft mithilfe von Komplizen, die innerhalb des Staatsapparats arbeiteten. Im Jahr 1942 reiste der Partisanenkommandant Kosta Nađ unter der falschen Identität des Eisenbahninspektors Mehmed Idrizović mit dem Zug durch Bosnien und Herzegowina. Seine gefälschten Papiere hatte er von kommunistischen Genossen erhalten, die im besetzten Sarajevo im Untergrund arbeiteten.

 

Nicolas Moll & Vladan Vukliš

Quellen / Weitere Informationen
  • Madeleine Riffaud, On l’appelait Rainer (1939–1945) (Paris: Julliard 1994)
  • Dane Olbina, “Vladimir Perić Valter”, in: Sarajevo u revoluciji, III (Sarajevo: IAS, 1979), pp. 798–811.
  • Kosta Nađ, Ratne uspomene: Četrdesetdruga (Beograd: Centar za kulturnu delatnost SSO, 1979)
  • Marie–Janine Calic, Tito: Der ewige Partisan (München: Beck C. H. 2020)

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