Nazad
Frauen Transnationaler Widerstand

Verschlüsselter Nachruf. Věra Hynkova-Vejvoda: eine transnationale Widerstandsbiographie

Am 6. Dezember 1941 erhielt der Generalstab der Volksbefreiungsbewegung für Kroatien den „Bericht Nr. 1 des Hauptquartiers der Volksbefreiungsbewegung für die kroatische Küste und Gorski Kotar“. Auf zehn Seiten wurden darin die allgemeine Lage und die Aktionen der Partisanen in dieser von Italien besetzten Region beschrieben. Wie die meisten anderen Berichte über die Region Gorski Kotar zu Beginn des Krieges waren auch diese Seiten von ehemaligen „Spaniern“ [link to story 69] verfasst worden, Jugoslawen, die während des Spanischen Bürgerkriegs in den Internationalen Brigaden gewesen waren und sich später dem Widerstand in Jugoslawien angeschlossen hatten. Ivo Vejvoda war einer von ihnen und er war derjenige, der sich hinter dem Pseudonym [link to story 73] „Politischer Kommissar Mijo Vuletić“ verbarg, mit dem der Bericht unterschrieben wurde. In dem Bericht tauchte auch „Mara“ auf, der Deckname seiner Frau Věra Hynková-Vejvoda, die anderthalb Monate zuvor bei einem Angriff auf das Partisanenlager Presika in der Nähe von Delnice getötet worden war. In dem Bericht ging Ivo Vejvoda in einem verschlüsselten Nachruf auf den Lebensweg seiner Partnerin und Mitstreiterin für die Revolution ein:

 

„Ihr habt sicherlich von dem Angriff auf das Lager bei Delnice gehört, ein sehr harter Schlag für uns. Wir haben dort zwei Kameraden verloren. Die Genossinnen Mara und Šipek. Genossin Mara war eine studentische Kämpferin, Mitglied des Zentralkomitees der Studentenvereinigung, Delegierte auf dem Amsterdamer Kongress gegen Krieg und Faschismus, zweimal Studentendelegierte auf Kongressen in Paris, spanische Freiwillige, Redakteurin der Frontzeitschrift und Bibliothekarin an der Schule für Offiziere und politische Kommissare der Interbrigade in Pozo Rubio, Redakteurin und Sprecherin bei Radio Madrid, Verwalterin im Dienstkader in Barcelona und schließlich Partisanin in unseren Truppen. Sie war in allen Ländern, in denen sie arbeitete, Mitglied der Kommunistischen Partei. Als sich eine Gruppe italienischer Soldaten mit einem Offizier an der Spitze näherte, erschoss sie den Offizier, woraufhin sie selbst von den Kugeln der Soldaten niedergestreckt wurde.“

 

Věra Hynková (Prag, 1915 – Delnice, 1941) schloss sich bereits in ihrer Jugend progressiven Studentenbewegungen und der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei an. Im Rahmen ihrer politischen Arbeit lernte sie ihren späteren Ehemann kennen, den jugoslawischen Kommunisten Ivan (Ivo) Vejvoda. Nach ihrer Ankunft in Spanien Ende 1937 wurde sie an die Offiziersschule der Internationalen Brigaden geschickt, wo sie Leiterin der Bibliothek wurde. In Madrid arbeitete sie als Redakteurin der Zeitung der tschechoslowakischen Freiwilligen und als Sprecherin bei Radio Madrid. Nach dem Rückzug der Interbrigadisten nach Frankreich wurde sie zusammen mit zwei anderen jugoslawischen Freiwilligen, Borka Demić und Olga Dragić, im Lager Saint-Zacharie in der Nähe von Marseille interniert. Aufgrund ihrer Schwangerschaft wurde sie aus dem Lager entlassen, und nach einem kurzen Aufenthalt in Paris kehrte sie nach Kroatien/Jugoslawien zurück. Sie beteiligte sich an der Arbeit des Komitees zur Unterstützung der jugoslawischen Freiwilligen in Spanien und führte unter den Namen „Mara“ und „Spanierin“ (Španjolka) eine Kampagne für deren Rückkehr an. Nach der Rückkehr von Ivo Vejvoda gingen die beiden in die Bergregion Gorski Kotar, wo sie die Funktion der technischen Leiterin des Partisanenkommandostabes in Delnice übernahm. Sie war bis Oktober 1941 an der Verbreitung von Radionachrichten und Richtlinien der Bewegung beteiligt, als sie bei einem Angriff der italienischen Division „Lombardia“ auf das Lager getötet wurde. Věra gilt als die erste Frau unter den Partisanen, die in der Region Gorski Kotar in Kroatien getötet wurde. An ihrem Todesort befindet sich eine Gedenktafel, doch die transnationale Natur ihrer Widerstandsgeschichte hat dazu geführt, dass sie sowohl in der Tschechischen Republik als auch in Kroatien von der Geschichtsschreibung und der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert wird.

 

Sanja Horvatinčić

Quellen / weitere Informationen
  • Collection of documents and data on the National Liberation War of the Yugoslav peoples, Volume V, Book 2, Belgrade: Institute of Military History of the Yugoslav People’s Army, 1952, 117-127.
  • Željko Laloš, „Vera Vejvoda-Hynkova – the first female fallen fighter, Croatian partisan“, Lexicon Matica Hrvatske – Delnice.
  • Notice VEJVODA Vera [née HYNKOVA Vera, known as REINER Lenka, Mara and Španjolka in the Yugoslav Resistance] by Hervé Lemesle, version posted online on 6 January 2022.

This website stores cookies on your computer. Cookie Policy