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Bir Hakeim

Viele Paris-Besucher haben schon die Brücke „Pont de Bir-Hakeim“ überquert oder haben die gleichnamige Metrostation unweit des Eiffelturms benutzt. Was hat es mit diesem Ort auf sich, den außerhalb Frankreichs kaum jemand kennt?

Bir-Hakeim war eine Festung in der libyschen Wüste und im Jahre 1942 Schauplatz einer Schlacht auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz, wo seit 1941 das so genannte Afrika-Korps unter General Rommel mit seinen italienischen Verbündeten Großbritannien gegenüber standen. Rommels Ziel war die Eroberung Ägyptens und des Suezkanals, die für die britischen Interessen lebenswichtig waren. Auf britischer Seite kämpfte auch eine kleine Truppe von Soldaten des „Freien Frankreichs“, die der französischen Exilregierung unterstanden, die Charles de Gaulle kurz nach dem Waffenstillstand von 1940 ausgerufen hatte. Die Soldaten dieser Exilarmee wollten beweisen, dass Frankreich nicht nur Kollaborateuren bestand, sondern einen aktiven Beitrag zur Niederlage Deutschlands leistete.

Diese Gelegenheit bot sich im Sommer 1942 in Bir-Hakeim. Die Truppen des „Freien Frankreich“ hatten die Aufgabe, das Fort so lange wie möglich zu halten, um den Briten Zeit für die Stärkung ihrer eigenen Verteidigungslinien zu geben. Unerwartet hielten sie das Fort mehrere Tage lang gegen italienische und deutsche Angriffe und katapultierten das „Freie Frankreich“ damit ins Rampenlicht. Als sie das Fort schließlich gegen eine überwältigende deutsche Übermacht räumen mussten, stellten die französischen Soldaten wieder ihr Können unter Beweis: Ein Großteil von ihnen konnte die britischen Linien unverletzt erreichen.

Für das „Freie Frankreich“ war die Schlacht von Bir-Hakeim eine höchst willkommene Gelegenheit, die eigene Rolle im Krieg gegen Hitler-Deutschland hervorzuheben. De Gaulles Chefpropagandist Maurice Schumann deutete die kleine und keineswegs entscheidende Schlacht zu einem „neuen Verdun“ um und schlug damit eine Brücke zu dieser für Frankreich identitätsstiftenden Schlacht des Ersten Weltkriegs. Schumann bezeichnete die Verteidigung von Bir-Hakeim sogar als Sieg, obwohl die Festung gefallen war.

Die Schlacht fand auch innerhalb Frankreichs großen Widerhall, wo die Gegner der Kollaboration und der Besatzung sehnsüchtig auf Nachrichten warteten, die sie mit Hoffnung auf einen baldigen Sieg über Deutschland erfüllen konnten. Bir-Hakeim war eine solche Nachricht ; sie bestärkte Menschen im Widerstand darin, de Gaulle und seiner Bewegung Vertrauen zu schenken. Die Wirkung dieser Schlacht zeigt sich auch darin, dass ab Januar 1943 eine Widerstandszeitung im Untergrund mit dem Titel „Bir-Hakeim“ erschien. Auch ein “Maquis” in der Charente, eine Region im Südwesten Frankreichs, gab sich den Namen der nordafrikanischen Festung. Bir-Hakeim wurde so zu einem Symbol, das den ungebrochenen Widerstandswillen Frankreichs verkörperte und den Widerstand außerhalb und innerhalb Frankreichs verband.

 

Matthias Waechter

Quellen/ weiterführende Literatur
  • Matthias Waechter, Ein „neues Verdun“. Die Schlacht von Bir Hakeim (Juni 1942) und der Mythos des Gaullismus, in: Susanne Brandt/Gerd Krumeich (ed.), Schlachtenmythen. Ereignis, Erzählung, Erinnerung, Köln 2003, pp. 165-181.

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