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Früher Widerstand Jugend Repression

Ein 17-jähriger kommunistischer Widerstandskämpfer: Der Abschiedsbrief Guy Môquets an seine Familie

Meine geliebte kleine Mutter, mein geliebter kleiner Bruder, mein geliebter kleiner Vater,

ich werde sterben! […] Natürlich hätte ich gerne gelebt. Aber ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass mein Tod einen Sinn hat. […] 17 und ein halbes Jahr, mein Leben war kurz, ich bereue nichts, außer dass ich euch alle verlasse. […]

Dies waren die letzten Worte Guy Môquets vor seiner Hinrichtung am 22. Oktober 1941.

Er wurde 1924 in Paris geboren. Sein Vater, ein kommunistischer Abgeordneter, war im Oktober 1939 verhaftet worden, nachdem die Kommunistische Partei Frankreichs nach dem Angriff Deutschlands und der Sowjetunion auf Polen aufgelöst worden war. Guy war aktives Mitglied der Kommunistischen Jugend und schloss sich bereits im Sommer 1940 der Résistance an. Er druckte und verteilte Flugblätter. Am 13. Oktober wurde er von der französischen Polizei verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Im Herbst 1941 befindet er sich im Lager Choisel in Châteaubriant, als kommunistische Widerstandskämpfer in Nantes Karl Hotz erschiessen, den regionalen Kommandanten der deutschen Besatzungstruppen.

Im Rahmen der „Geiselpolitik“, welche die deutsche Besatzungsmacht als Vergeltungsmaßnahme für Angriffe auf ihre Angehörigen eingeführt hat, erstellt die Vichy-Polizei eine Liste, die von den deutschen Behörden ergänzt wird. In Paris, Nantes und Châteaubriant werden 48 Männer ausgewählt, fast alle von ihnen Kommunisten oder Gewerkschafter. Guy Môquet ist der jüngste unter ihnen und wird in Châteaubriant erschossen. Sein Name wurde von den Nazis auf die Liste gesetzt, um ihr entschlossenes Vorgehen gegen „Terroristen“ jeden Alters zu demonstrieren und der französischen Gesellschaft zu zeigen, dass die Kommunisten ihre Feinde waren.

Doch der Tod des jungen Mannes und das Schweigen Marschall Pétains, des Chefs der Vichy-Regierung, schockieren die französische und internationale Öffentlichkeit und machen aus Guy Môquet fast umgehend einen „Helden“. Widerstandsgruppen nehmen seinen Namen an. Nach der Befreiung Frankreichs wird er postum durch die französische Nation geehrt, und zahlreiche öffentliche Plätze werden nach ihm benannt. Aber das Andenken an Guy Môquet wird bald auch zu einem Streitpunkt zwischen Kommunisten und Gaullisten. Selbst 2007 spaltete es noch die Gesellschaft, als Nicolas Sarkozy, der konservative Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen und anschließende Präsident der Republik, die Briefe Guy Môquets in den Schulen zur Pflichtlektüre machen wollte. Während die einen dies als „politische Vereinnahmung“ anprangerten, begrüßten andere es als Geste des Gedenkens. In der Folgezeit beruhigte sich die Lage, aber die Erinnerung an Guy Môquet, den jungen Kommunisten und Widerstandskämpfer, überschattet zweifellos die Erinnerung an die 47 anderen „fusillés“ (Erschossenen) vom 22. Oktober 1941.

 

Corine Defrance

Quellen / Weitere Informationen
  • Pierre-Louis Basse, Guy Môquet. Une enfance fusillée , Stock, Paris, 2000.
  • Jean-Pierre Azéma, « Guy Môquet, Sarkozy et le roman national », L’Histoire, no 323, septembre 2007, p. 6-11.
Video

Film von Volker Schlöndorff: La Mer à l’aube, 2011 [Das Meer am Morgen ; Calm at Sea], trailer:

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