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Ernst-Thälmann-Kompanie

Mitte August 1943 wurde in dem kleinen Dorf Slatinski Drenovac im Norden Kroatiens die Partisanenkompanie „Ernst Thälmann“ gegründet, bestehend aus etwas 40 Soldaten. Es handelte sich um die einzige antifaschistische Kompanie, die während des Zweiten Weltkriegs im besetzten Jugoslawien gegründet wurde und sich mehrheitlich aus Deutschstämmigen zusammensetzte. Die meisten von ihnen waren kroatische Volksdeutsche, die in den vergangenen Jahrhunderten in diese Region eingewandert waren, dazu kamen Deserteure aus Wehrmachtseinheiten, darunter Österreicher und Deutsche. Auch einige einheimische Kroaten gehörten zur Kompanie. Der Namensgeber der Kompanie war der von den Nazis inhaftierte Führer der deutschen Kommunisten, und es war die zweite nach ihm benannte Einheit: Im Spanischen Bürgerkrieg hatte es das Bataillon „Thälmann“ der Internationalen Brigaden gegeben, das aus vielen deutschen antifaschistischen Exilanten bestand. Im Jahr 1944 wurde Thälmann in Buchenwald von den Nazis ermordet.
Die Kompanie, deren Mitglieder als „Telmanovci“ (Thälmanier) bezeichnet wurden, wurde vom Zweiten Korps der Volksbefreiungsarmee Jugoslawiens mit dem Ziel gegründet, Angehörige der deutschen nationalen Minderheit in Partisaneneinheiten zu mobilisieren. Der erste Kommandeur war Rudolf Vaupotich. Später wurde ein in Bosnien geborener Veteran der Internationalen Brigaden, Hans Pichler, zum Kommandeur ernannt. Das Erkennungszeichen der Kompanie war ein roter fünfzackiger Stern auf einer schwarz-rot-gelben Trikolore, der Flagge der deutschen Republik. Da viele der “Thälmanier” im Kampf fielen, wurden sie nach und nach durch deutsche Kämpfer aus anderen Partisaneneinheiten ersetzt. Aufgrund des geringen Zustroms an neuen Kämpfern hörte die Einheit Ende 1944 auf, unter ihrem ursprünglichen Namen zu operieren, und erhielt eine Nummer wie die anderen Kompanien der Volksbefreiungsarmee. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich nur noch vier oder fünf Partisanen in der Kompanie, die bei ihrer Gründung dabei gewesen waren. Von den hundert Kämpfern, die über einen kürzeren oder längeren Zeitraum Teil der Kompanie waren, überlebten nur 10 den Krieg.
1990 produzierten die „Sutjeska Film“ aus Sarajevo und die „Deutsche Film“ (DEFA) der DDR aus Potsdam gemeinsam einen Spielfilm über die Kompanie mit dem Titel: „Lass mich doch eine Taube sein“ (Volio bih da sam golub). Es ist ein Drama über das Schicksal eines Kaufmanns, der vor einer schwierigen Entscheidung steht: Während sein Sohn bei der SS ist, ist seine Tochter Kämpferin bei der Thälmann-Kompanie, und er muss sich für eine der beiden Seiten entscheiden. Doch als der Film herauskam, war die Berliner Mauer bereits gefallen und Deutschland auf dem Weg zur Wiedervereinigung. Das Erbe Thälmanns, eines führenden Verfechters der stalinistischen Linie und Politik im Europa der frühen 1930er Jahre, wurde auf den Prüfstand gestellt.

Nataša Mataušić, Robert Parzer & Vladan Vukliš

Quellen
  • Nail Redžić, Telmanovci: Zapisi o njemačkoj partizanskoj četi Ernst Telman (Beograd: Narodna armija, 1984)
  • Vojna enciklopedija, II (Beograd: Vojnozidavački zavod, 1971)
Weitere Informationen
  • Deserteure Der Wehrmacht Und Der Waffen–SS: Entziehungsformen, Solidaritat, Verfolgung, eds. Peter Pirker, Kerstin Von Lingen (Paderborn: Brill Schöningh, 2023)
  • Heinz Kühnrich / Franz-Karl Hitze, Deutsche bei Titos Partisanen 1941-1945, Berlin, 1997, online: https://znaci.org/00002/426.htm
  • Spielfilm “Lass mich doch eine Taube sein” (Volio bih da sam golub), 1990, vollständiger Film auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=ge26Y2BTyFo
Video

Film “Volio bih da sam golub” (Lass mich doch eine Taube sein / Let me be just a pigeon), 1990:

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