Nazad
Kultur und Kunst Nachkriegspläne Organisation von Widerstand

Kultur im Widerstand: Der Kongress der Kulturschaffenden 1944

Im Sommer 1944 war in Jugoslawien die antifaschistische Partisanen-Widerstands- und Befreiungsbewegung bereits zu einem Massenphänomen geworden, das sich über das gesamte Gebiet des ehemaligen Königreichs erstreckte. Parallel zum militärischen Kampf bereitete die Führung der Bewegung zunehmend die Machtübernahme und die Neugestaltung des Lebens im Land für die Zeit nach dem Krieg vor. Kultur, Kunst und Wissenschaft wurden als wichtige Bestandteile dieser neu entstehenden Gesellschaft gesehen. Tatsächlich schlossen sich bereits zu Beginn des Krieges Schriftsteller, Künstler, Schauspieler und andere bekannte Persönlichkeiten der Partisanenbewegung an und spielten eine aktive Rolle, um sie in der Bevölkerung populär zu machen. Um dies zu unterstreichen und die Mobilisierung des intellektuellen Milieus weiter zu stärken, beschloss die Partisanen-Führung, einen Kongress zu veranstalten, bei dem möglichst viele Kulturschaffende an einem Ort zusammenkommen sollten.

Einer der angesehensten Schriftsteller der damaligen Zeit, Vladimir Nazor, ein Antifaschist und Mitglied der Partisanenbewegung, verfasste eine öffentliche Einladung zu dem Kongress, die er mit folgenden Worten schloss: „Zögert nicht [an dem Kongress teilzunehmen], ihr, die ihr durch die Gnade der Göttin der Kunst die Krone der Schönheit auf jede aufrichtige menschliche Schöpfung setzt. Macht euch bereit, unser unbesiegbarer Partisanenwald wird euch bald zu einer Versammlung rufen, wo euch die Jugend und der Frühling am Vorabend des Sieges und der Auferstehung begrüßen werden!“

Und tatsächlich: Ende Juni 1944 fand nach langen Vorbereitungen unter strengster Geheimhaltung der erste Kongress der kroatischen Kulturschaffenden in der Stadt Topusko statt, etwa 50 Kilometer von Zagreb entfernt, im Herzen des Unabhängigen Staates Kroatien statt. Ein einzigartiges Ereignis im besetzten Europa und zu einer Zeit, in der das Ende des Krieges noch immer nicht in Sicht war.
Für den Kongress in Topusko kamen zahlreiche bekannte Schriftsteller, Wissenschaftler, Professoren, Dichter, Regisseure, Schauspieler und Komponisten zusammen, um drei Tage lang (vom 25. bis 27. Juni) vor einem aus Mitgliedern der Partisanenbewegung bestehenden Publikum Vorträge zu halten und Präsentationen in ihren jeweiligen Fachgebieten zu halten. Im Rahmen des Kongresses wurden auch Ausstellungen organisiert, die die Werke von 13 Malern und Bildhauern sowie Fotografien über das Alltagsleben der Partisanen zeigten. Aus Sicherheitsgründen und aus Angst vor möglichen Angriffen durch Truppen der Ustascha und der Wehrmacht wurde das Gebäude, in dem der Kongress stattfindet, nach außen hin abgedunkelt. Aus denselben Gründen fanden manche Konferenzen auch in den Wäldern der Umgebung statt, und es war nicht unüblich, dass kleine Gruppen im Gras lagen und so den Rednern zuhörten.

Nach demselben Muster und mit ähnlichen Zielen organisierte die Führung der Partisanenbewegung außerdem fast zeitgleich an anderen Orten in den befreiten Gebieten Kongresse für Anwälte, Ärzte, Lehrer und andere Berufsgruppen.

 

Hrvoje Klasić

Quellen / Weitere Informationen
  • Prvi kongres kulturnih radnika Hrvatske, Časopis za suvremenu povijest, Vol. 8 No. 2-3, 1976. Zagreb, Institut za historiju radničkog pokreta Hrvatske (https://hrcak.srce.hr/file/316320)

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