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Ludwig Baumann weigerte sich, an einem ungerechten Krieg teilzunehmen

„In der Geschichte wurden Soldaten immer misshandelt und ließen sich misshandeln, um alles zu zerstören, auch sich selbst.“ Diese Worte stammen von Ludwig Baumann, der zu Beginn des Zweiten Weltkriegs zwangsweise in die deutsche Armee eingezogen wurde. Doch als einer der sehr wenigen Soldaten weigerte er sich, an einem Krieg teilzunehmen, der es ermöglichte, „hinter den Frontlinien millionenfache Morde zu begehen, solange die Soldatenpflicht an der Front erfüllt wurde“. Diese Worte schrieb er in einem Appell an die Behörde für die Entschädigung von Opfern des Nazi-Regimes der Stadt Bremen im Jahr 1989.
In den 1980ern Jahren waren solche Worte sehr selten zu hören, zumindest bevor die Ausstellung “Verbrechen der Wehrmacht” eine neue Sicht der deutschen Armee ermöglichte, die nicht den Mythos einer „sauberen Armee“ wiedeholte, die angeblich nicht an Holocaust oder anderen Kriegsverbrechen beteiligt war.
Ludwig Baumann wurde 1921 geboren und wuchs in Hamburg als Sohn eines Tabakgroßhändlers auf. Nach dem Abschluss der Grundschule wurde er Maurergeselle. Nach seiner Einberufung in die deutsche Marine war er im besetzten Frankreich in Bordeaux stationiert. Nach einer schweren Rüge für Trunkenheit im Dienst beschloss er, zusammen mit einem Kameraden, Kurt Oldenburg, zu desertieren. Zusammen wollten sie nach Vichy-Frankreich entkommen und sich der französischen Fremdenlegion anschließen. Sie wurden jedoch entdeckt und zum Tode verurteilt. Schließlich wurde ihre Strafe in 12 Jahre Haft umgewandelt. Ludwig Baumann wurde daraufhin in das Emslandlager in Niedersachsen deportiert und dann in das Wehrmachtsgefängnis in Torgau verlegt. Dort wurde er sehr schlecht behandelt und musste mehrere Exekutionen von Kameraden mitansehen.
Gegen Ende des Krieges wurde er in die Bewährungseinheit 500 eingezogen und musste am Krieg an der Ostfront teilnehmen. Er geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland hatte er ein schwieriges Leben: Als Vater von sechs Kindern sah er seine Frau bei der Geburt des sechsten Kindes sterben, wurde alkoholabhängig und verschwendete seine Erbschaft. Dann änderte er sein Leben und engagierte sich öffentlich als entschiedener Gegner jeglicher Armeen und Kriege im Allgemeinen. Noch wichtiger ist, dass er sich erfolgreich für die Rehabilitierung und Entschädigung der ehemaligen Deserteurinnen und Deserteure der deutschen Wehrmacht einsetzte. Anfangs verweigerten ihm deutsche Gerichte jegliche finanzielle Entschädigung, was nach dem bis 2002 in Deutschland geltenden Gesetz rechtmäßig war. Erst dann wurden alle Urteile gegen Deserteurinnen und Deserteur aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft für ungültig erklärt.
Ludwig Baumann war ein äußerst politischer Mensch und bezeichnete sich selbst als „eingefleischten Pazifisten“.

Robert Parzer

Quellen / Weiterführende Literatur
  • Webseite über Ludwig Baumann: http://ludwigbaumann.de/
  • Ulrich Herrmann, „Zwei junge Soldaten als Opfer der NS-Wehrmachtjustiz: der „Wehrkraftzersetzer“ Horst Bendekat und der Deserteur Ludwig Baumann“, in: Ulrich Herrmann, Junge Soldaten im Zweiten Weltkrieg, Weinheim 2010, 212-240.
  • Die Liebe zum Leben, Dokumentarfilm von Annette Ortlieb, D 2023: https://www.filmbuero-bremen.de/leben

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