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Eine Schallplatte gegen Hitler

1936 gelangen über den Seeweg mehrere Hundert Exemplare einer ganz speziellen Schallplatte in das Deutsche Reich. Sie erscheint unter dem Pseudonym „Dr. Franz Forster“ und enthält eine etwa zweiminütige Rede, die der Widerstandskämpfer Willy Eichler anlässlich der Reichstagswahl am 29. März 1936 geschrieben hat. In der Rede wird vor Adolf Hitler, der deutschen Aufrüstung und einem möglicherweise von Deutschland ausgehenden Krieg gewarnt, sie soll aber auch diejenigen ermuntern, die bereits Widerstand leisten. Eingesprochen wird der Text von Otto Pfister.
Otto Pfister stammt aus München, verlässt aber 1920 schon im Alter von 20 Jahren Deutschland, um nach Rom zu ziehen. Dort bekommt er den Aufstieg des Faschismus unter Mussolini mit und zieht deshalb weiter nach Paris, wo er die ebenfalls aus Deutschland stammende Eva Lewinski kennenlernt. Sie ist bereits seit 1927 Mitglied im Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK). 1932 beteiligt sie sich am Versand von Zeitungen und Flugblättern, die sich gegen Adolf Hitler und die Nationalsozialisten richten. 1933 flieht Eva wie ihr Bruder Erich, ein engagierter Anwalt, der Antifaschistinnen und Antifaschisten vertritt, nach Frankreich. Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern des ISK betreiben sie in Paris ein Restaurant, das Nazigegnerinnen und Nazigegnern als Treffpunkt dient.
Otto Pfister und Eva Lewinski werden ein Paar und sind jahrelang im Exil antifaschistisch aktiv. Eine der Aktivitäten ist die Herstellung von kleinen Schallplatten mit Anti-Nazi-Informationen, die dann in Deutschland verteilt werden.
Am 9. Mai 1940 wird Otto Pfister als vermeintlicher französischer Staatsbürger von deutschen Truppen in Luxemburg festgenommen und für mehrere Monate in einem Kriegsgefangenenlager in Schlesien interniert. Eva Lewinski wird 1940 im Lager Gurs in Südfrankreich interniert. Nach ihrer Freilassung flieht sie über die Pyrenäen

nach Spanien und Portugal. Per Schiff erreicht sie von dort aus die USA. Mit Hilfe von Eleonore Roosevelt, der Frau des damaligen US-amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt, kann Eva ein Visum für Otto Pfister organisieren, auch er flieht über die Pyrenäen bis in die USA. Kurz nach seiner Ankunft heiratet das Paar in New York. Eva Pfister unterstützt weiterhin den Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Otto Pfister schliesst sich der US-amerikanischen Armee an. Beide leben bis zu ihrem Tod in den USA.
Im Jahr 2020 veröffentlichen die Nachkommen eine Doppelbiografie über ihre Eltern. Eine Kopie der von Otto Pfister aufgenommenen Schallplatte befindet sich heute im Bundesarchiv in Berlin.

 

Silke Struk

Quellen / Weiterführende Literatur
  • Tom, Kathy and Peter Pfister, Eva and Otto. Resistance, Refugees, and love in the time of Hitler (West Lafayette 2020).
  • Tagebuchaufzeichnung von Eva Lewinski und weitere Dokumente sind online über das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) online zugängig: „Eva and Otto Pfister papers“; https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn628595

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