Gewaltakte durch Widerstandskräfte
1953 veröffentlichte der berühmte jugoslawisch-jüdische, kommunistische und surrealistische Dichter Oskar Davičo eine Gedichtsammlung mit dem Titel “Der Mensch des Menschen”
(Čovekov čovek). Seine selbstreflexive und kritische Dichtung warf wichtige Fragen auf, über den Partisanen-Befreiungskampf im Zweiten Weltkrieg und die Zukunft des emanzipatorischen Projekts, das aus dem Revolutionskrieg hervorgegangen war. Ein Vers stellte folgende Frage:
Kannst du unschuldig sein, aber lebendig,
Atmen, aber nicht mit Blut befleckt sein,
Kämpfen, aber deine sanften Handflächen
eine unbefleckte Flagge wehen lassen?
Um gewonnen zu werden, musste der Kampf gegen die gewalttätigen Besatzungs- und Kollaborationskräfte selbst gewalttätig sein. Manchmal war die Gewalt gerechtfertigt, manchmal war sie exzessiv und blieb ungesühnt und frei von Reue.
Im besetzten Jugoslawien bediente sich die Kommunistische Partei verschiedener Methoden, um eine massive Widerstandsbewegung aufzubauen, zu vereinheitlichen und zu kontrollieren. Neben Propaganda, vorbildlicher Führung und manchmal Selbstaufopferung setzten die Kommunisten auch auf disziplinierende Gewalt. Partisanen, die des Verrats oder der Disziplinlosigkeit beschuldigt wurden, wurden manchmal durch Erschießen oder Erhängen hingerichtet.
Auch Zivilisten wurden wegen Diebstahls oder Zusammenarbeit mit dem Feind vor Gericht gestellt. Es gab auch Phasen der revolutionären Gewalt. Während der so genannten „Linkswende“ in Teilen der Herzegowina und Montenegros im Jahr 1942 ermordeten die Partisanen Hunderte von Menschen, weil ihnen vorgeworfen wurde, tatsächlich oder potenziell mit antikommunistischen Kräften zusammenzuarbeiten, und manchmal auch nur, weil sie wohlhabende Bauern waren.
Auch nach der Befreiung im Mai 1945 kam es zu Abrechnungen mit “Klassenfeinden”, doch viele davon wurden durch Gerichtsverfahren formalisiert, und häufig als Folge nachgewiesener Kollaboration. Tausende wurden hingerichtet, weil sie eine feindliche Uniform trugen, doch noch viel mehr überlebten durch die Amnestien, die Soldaten von Tschetnik-Einheiten oder “regulären“ Truppen wie die “Domobrani”, der kroatische Armee, gewährt wurden, wenn sie zur Partisanen-Armee überwechselten. Die angewandten Bestrafungen wurden von zahlreichen Exzessen begleitet, die von einer Kombination aus Ideologie und strafender Rache angeheizt wurden. Zwei der bekanntesten Beispiele sind die Massentötungen, die zum einen an den Ustascha-Truppen und anderen kollaborierenden Kräften um Bleiburg (Österreich) und in Slowenien und Kroatien vollzogen wurden, und zum anderen an den verbliebenen „Tschetnik“-Truppen um den Berg Zelengora (Ostbosnien).
Auch anderswo in Europa organisierten Widerstandskräfte Vergeltungsmaßnahmen. In Frankreich wurde die Befreiung 1944/45 von der so genannten „wilden Säuberung“ (épuration sauvage) begleitet, bei der mindestens 10.000 tatsächliche oder vermeintliche Kollaborateure getötet wurden. Zu den Racheaktionen gehörten auch öffentliche Demütigungen von Frauen, die der „horizontalen Kollaboration“ (Beischlaf mit dem Feind) beschuldigt wurden; Sie wurden oft kahlgeschoren und dann durch die Straßen geführt. Auch in anderen Ländern wurden Frauen, die Beziehungen zu deutschen Besatzern hatten, „unmoralischen Verhaltens“ beschuldigt und auf unterschiedliche Weise bestraft.
Vladan Vukliš and Nicolas Moll