Nazad
Erinnerung Hilfe und Rettung

Gewöhnliche Helden? Die „Gerechten unter den Völkern“

Nach 1945 wurde die Erinnerung an den Widerstand während des Zweiten Weltkriegs lange Zeit mit bewaffneten und politischen Aktionen in Verbindung gebracht. Dies zeigt sich auch in den Orden und Auszeichnungen [Link to story 49], die für Widerstandsaktivitäten vergeben wurden. Seit einigen Jahrzehnten jedoch ist die Hilfe und Rettung von Verfolgten, insbesondere von Juden, zunehmend ins Blickfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt und wird heute von vielen als ein wichtiger Teil des zivilen Widerstands gegen den Nationalsozialismus angesehen.
Die Auszeichnung „Gerechte unter den Völkern“ wurde in den 1960er Jahren von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel ins Leben gerufen, um Nicht-Juden zu ehren, die ihr Leben riskiert haben, um Juden vor der Vernichtung zu retten. Bis 2023 wurden mehr als 28.000 Personen von Yad Vashem als “Gerechte” anerkannt. Darunter befinden sich beispielsweise in Bosnien und Herzegowina Nuria und Devleta Pozderac[Link to sotry 102] oder in Frankreich das Dorf Chambon Le Lignon [Link to sotry 32], das für seine kollektiven Bemühungen zur Rettung von Juden geehrt wurde. In vielen Fällen handelten die ausgezeichneten Personen allein oder mit Hilfe von Familienmitgliedern oder Freunden, aus Empathie oder Humanismus, ohne Teil einer politischen Organisation oder Widerstandsgruppe zu sein. Daher werden sie auch oft als „gewöhnliche Helden“ oder „stille Helden“ bezeichnet.
Der berühmteste Retter ist sicherlich Oskar Schindler, der mehr als 1.100 Juden rettete, die er in seiner Fabrik im besetzten Polen beschäftigt hatte. Er wurde durch den Spielfilm „Schindlers Liste“ von Steven Spielberg aus dem Jahr 1993 weltberühmt. Auf Initiative vieler der von ihm Geretteten wurde er 1962 erstmals von Yad Vashem geehrt, doch gab es auch Proteste gegen diese Initiative, da Oskar Schindler Mitglied der NSDAP gewesen war und ihm vorgeworfen wurde, aus Opportunismus gehandelt und sich bereichert zu haben. Erst nach Spielbergs Film erkannte Yad Vashem den 1974 verstorbenen Oskar Schindler und dann auch seine Frau Emilie offiziell als Gerechte an.
Oft ist es schwierig festzustellen, ob jemand aus Altruismus geholfen hat – was Yad Vashem als entscheidendes Kriterium für die Verleihung des Titels „Gerechter“ ansieht -, oder aus anderen Gründen. Es gab auch Fälle, in denen Personen fälschlicherweise behauptet haben, Juden gerettet zu haben. Ein Kritikpunkt an dieser Auszeichnung ist, dass sie nur Nicht-Juden ehrt – wodurch leicht übersehen werden kann, dass auch Juden oft andere Juden gerettet haben und dass Juden, die überlebt hatten, nicht passiv geblieben waren, sondern sehr aktiv zu ihrem eigenen Überleben beigetragen haben und daher auch als „stille Helden“ betrachtet werden können.

 

Nicolas Moll

Quellen / Weitere Informationen
Video

Video über Zajneba Hardaga, die die Familie Kabilio aus Sarajevo gerettet hat:

Trailer zum Film „Schindlers Liste:

This website stores cookies on your computer. Cookie Policy