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„Mama Karasjok“ ‒ Nordisches Beispiel für Solidarität

Zwischen 1940 und 1945 war Norwegen von Nazi-Deutschland besetzt, und in dieser Zeit wurden Tausende „politisch unerwünschte“ Personen aus verschiedenen Teilen Europas nach Norwegen deportiert und dort für Zwangsarbeit ausgebeutet. Mehr als dreißig Lager für Internierte aus dem ehemaligen Königreich Jugoslawien wurden in ganz Norwegen eingerichtet ; dies war das Ergebnis einer Deportationsaktion, die vom Chef des Ustascha-Überwachungsdienstes (UNS), Eugen Kvaternik, und dem SS- und Polizeiführer in Serbien, SS-Gruppenführer August Mayszner, koordiniert wurde. Die Internierten wurden durch Hunger und harte körperliche Arbeit zermürbt, misshandelt und ermordet.
Obwohl es streng verboten und strafbar war, zeigte die lokale Bevölkerung in der Nähe der Lager nicht nur Mitleid mit den jugoslawischen Internierten, sondern bot ihnen auch praktische Unterstützung und Hilfe an: Sie versorgte sie mit Lebensmitteln und Medikamenten, gab ihnen Informationen, versteckte sie oder half ihnen bei der Flucht aus den Lagern. Alte und junge Menschen, Männer und Frauen und sogar Kinder, Bauern, Arbeiter und Intellektuelle: Sie alle beteiligten sich aktiv an der Solidarität mit den Menschen aus einem fernen, unbekannten Land.
Eine von ihnen war Kirsten Elisabeth Svineng (7. Dezember 1891 ‒ 4. Mai 1980), die von den jugoslawischen Internierten im Lager Karasjok „Mama Karasjok“ genannt wurde und auf einem Bauernhof außerhalb von Karasjok in der Finnmark lebte. Sie gehörte der samischen Minderheit an, einem Volk, das in den nordischen Ländern seit Jahrhunderten unter Rassismus und Diskriminierung litt. Sie war oft in der Nähe, wenn hungernde und erschöpfte Internierte aus dem Lager vorbeikamen. Am Rande der Straße ‒ der so genannten „Blut-Straße“ ‒, die sie in Richtung finnische Grenze bauen mussten, fanden sie unter einem Felsen kleine Bündel mit Lebensmitteln ‒ Kartoffeln, Brotstücke oder getrockneten Fisch. Diejenigen, die fliehen konnten, fanden in ihrem Haus Unterschlupf und erhielten warme Kleidung und Essen. Indem sie jugoslawische Kriegsgefangene hinter dem Rücken der Gefängniswärter versorgte setzte Kirsten Svineng ihr Leben aufs Spiel.
Viele derjenigen, die den Krieg überlebten, blieben mit Kirsten in Kontakt. 1957 kam ein Brief aus Jugoslawien mit einem besonderen Dank an „Mama Karasjok“ für die Hilfe, die sie den Gefangenen hatte zukommen lassen. Sie wurde als Ehrengast nach Belgrad eingeladen, und Josip Broz Tito verlieh ihr 1965 einen hohen Orden. Die Solidaritätsbande zwischen Jugoslawien und Norwegen wurden durch die Jugoslawisch-Norwegische Freundschaftsgesellschaft weiter gestärkt, die jährliche Treffen und Wanderungen zum Gedenken an den Widerstand im Zweiten Weltkrieg in beiden Ländern organisierte. Heute ist die Geschichte des Widerstands und Kirsten Svinengs Rolle darin in Norwegen viel bekannter als im ehemaligen Jugoslawien.

 

Sanja Horvatinčić & Nataša Mataušić

Quellen / Weitere Informationen
Video
Dokumentarfilm “Mamma Karasjok hjalp serbiske slavearbeidere i nød under 2. verdenskrig”:

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