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Ambivalenzen/Kontroversen

„Widerstandskämpfer der 25. Stunde“

Der Ausdruck „Résistants de la 25ème heure“ (Widerstandskämpfer der 25. Stunde) bezeichnet im Französischen Personen, die sich der Résistance erst ganz am Ende des Krieges angeschlossen haben. Es handelt sich um einen abwertenden Begriff, der häufig verwendet wird, um zwischen den „echten“ Widerstandskämpfern der „ersten Stunde“ und denjenigen der „letzten Stunde“ zu unterscheiden.
Waren diejenigen, die sich dem Widerstand erst spät anschlossen, alles Opportunisten? Es ist sehr schwierig, die Beweggründe jedes einzelnen genau zu bestimmen: Einige mögen ihre Entscheidung erst nach einem langen Reifungsprozess getroffen haben; andere, weil sie in die Fußstapfen von Verwandten oder Freunden traten; wieder andere, weil sie bei Kriegsbeginn noch zu jung waren.
In jedem Fall stellte die Résistance in Frankreich auch gegen Ende des Krieges nur eine Minderheit der Bevölkerung dar, auch wenn ihre Reihen im Vergleich zu 1940 oder 1941 erheblich angewachsen waren. Es muss auch darauf verweisen werden, dass viele derjenigen, die sich dem Widerstand im Frühjahr und Sommer 1944 anschlossen, während der Kämpfe um die Befreiung Frankreichs, dabei ihr Leben verloren. Es handelte sich um die tödlichste Periode für die französische Résistance während des gesamten Krieges.
Auch in Jugoslawien schlossen sich viele in der Endphase des Krieges den Partisanen an. Oft handelte es sich um Soldaten der kroatischen Armee oder anderer gegnerischer Verbände, die von den Partisanen zum Übertritt auf die andere Seite ermuntert wurden, indem sie ihnen beispielsweise im Sommer 1944 eine Amnestie anboten, wenn sie vor dem 15. September 1944 in ihre Reihen eintraten.

 

In Deutschland fanden wichtige Widerstandsaktionen zu einem späten Zeitpunkt statt, insbesondere das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944, an dem verschiedene Wehrmachtskreise beteiligt waren. Es wird immer wieder kontrovers diskutiert, ob dieser Widerstand zu spät kam und nur durch die Aussicht auf die absehbare Kriegsniederlage motiviert war, oder ob er nichtsdestoweniger sehr wichtig war, um zu zeigen, dass nicht alle Deutschen Hitler still folgten. Zweifellos hatte der Widerstand in Deutschland zu einem Zeitpunkt, als der Krieg für das „Dritte Reich“ unaufhaltsam verloren schien, eine andere Bedeutung als für die Männer und Frauen, die sich dem Widerstand in Ländern anschlossen, welche auf dem Weg zur Befreiung waren, wie Frankreich und Jugoslawien.
Schließlich muss man auch unterscheiden zwischen denjenigen, die sich erst spät der Résistance anschlossen, und denjenigen, die nach Kriegsende fälschlicherweise behaupteten, Widerstandskämpfer gewesen zu sein ‒ die eigentliche Bedeutung des Begriffs „Widerstandskämpfer der 25 Stunde“. Nach 1945 wurde dieser Ausdruck manchmal auch verwendet, um Mitglieder der Résistance oder sogar die französische Résistance insgesamt zu diskreditieren.

 

Corine Defrance / Nicolas Moll

Quellen / Weitere Informationen

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