Nazad

Historischer Kontext

In diesem Abschnitt finden Sie grundlegende Informationen über den Aufstieg des Faschismus in Europa während der 1930er Jahre, die Besetzung Europas durch Nazideutschland und seine Partner der Achsenmächte während des Zweiten Weltkriegs und die Entwicklung des Widerstands gegen Nazismus, Faschismus, Besatzung und Kollaboration in Europa im Allgemeinen und in Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Frankreich und Deutschland im Besonderen, sowie über die Erinnerung an diesen Widerstand nach 1945.

Die Entwicklung des Faschismus und Nationalsozialismus in Europa

Illustration: Vojo Dimitrijević, »Der Faschismus regiert«, 1939. Der Maler Vojo Dimitrijević (1910-1980), einer der wichtigsten Künstler des modernen Bosnien und Herzegowina, erlebte den Aufstieg des Faschismus in Europa in den 1930er Jahren, als er in Sarajevo, Belgrad und Paris lebte. Zusammen mit anderen linken Künstlern gründete er 1939 in Sarajevo die antifaschistische Bewegung Collegium Artisticum. (Historisches Museum von Bosnien und Herzegowina, Kunstsammlung)

Der Nationalsozialismus stellt die gewalttätigste Form des faschistischen Nationalismus dar, der sich in den 1920er und 1930er Jahren in verschiedenen Teilen Europas ausbreitete. Indem sie die wirtschaftlichen Ängste der Menschen ausnutzten, machten die faschistischen Bewegungen Juden, Einwanderer, Linke und andere Gruppen zu Sündenböcken für alle bestehenden Probleme. Die Nationalsozialistische Partei unter der Führung Adolf Hitlers gelangte 1933 in Deutschland an die Macht, schaffte dort alle demokratischen Rechte ab und unterdrückte oppositionelle Stimmen gewaltsam. Durch den Abschluss eines Bündnisses mit dem faschistischen Italien unter Benito Mussolini gewann Nazideutschland immer mehr Einfluss in Europa. Der Spanische Bürgerkrieg 1936-1939 war ein weiterer Meilenstein auf dem Weg des Faschismus: Mit Unterstützung Hitlers und Mussolinis griffen die Nationalisten unter Franco die spanische Republik an und besiegten sie schließlich. Aus Angst vor einem neuen europäischen Krieg versuchten Frankreich und das Vereinigte Königreich, die faschistischen Mächte zu beschwichtigen, anstatt sie zu bekämpfen.

Die Besatzung Europas während des Zweiten Weltkriegs

Karte: Europa auf dem Höhepunkt der Vorherrschaft der Achsenmächte, 1942. (Goran tek-en, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons)

In dem Bestreben, die Vorherrschaft über ganz Europa zu erlangen, griff Nazideutschland 1939 Polen an und besetzte es, 1940 folgten Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Belgien und Frankreich. Der Plan, im Sommer 1940 in Großbritannien einzumarschieren, scheiterte; unter der Führung von Winston Churchill blieb das Vereinigte Königreich zu diesem Zeitpunkt das einzige unbesetzte Land in Europa, das sich Nazideutschland entgegenstellte. Im Frühjahr 1941 folgten Angriffe auf Jugoslawien und Griechenland und im Juni 1941 auf die Sowjetunion. Ende 1941 kontrollierten Nazideutschland und seine Verbündeten einen Großteil Europas.

In mehreren besetzten Ländern errichtete Nazideutschland Kollaborationsregime, etwa das Vichy-Regime in Frankreich, den »Unabhängigen Staat Kroatien« unter der Führung von Ante Pavelić oder das Regime in Norwegen, das von Vidkun Quisling geführt wurde. Sein Name wurde schnell international als Synonym für Kollaborateure und Verräter bekannt.

Die Besatzer und Kollaborationsregime verfolgten diejenigen, die als minderwertig oder »unerwünscht« galten, ebenso wie tatsächliche oder vermeintliche Gegner. Im Osten war die Unterdrückung noch brutaler: Die Nazi-Ideologie betrachtete die slawische Bevölkerung als minderwertige Ethnie und große Teile dieses Gebiets als künftigen »Lebensraum« für die Deutschen. In ganz Europa wurden Lager eingerichtet, in denen Millionen von Menschen inhaftiert, misshandelt und ermordet wurden. Im Jahr 1941 begann die systematische Vernichtung der Juden sowie der Roma und Sinti in ganz Europa. Die Besatzung bedeutete auch wirtschaftliche Ausbeutung, zum Beispiel durch den Einsatz von Millionen von Zwangsarbeitern aus den besetzten Ländern zur Unterstützung der deutschen Kriegsanstrengungen.

Wie sollte man reagieren? Einstellungen zu Nationalsozialismus und Besatzung

Illustration: »Für Dänemarks Freiheit ‒ vernichtet den Nazismus«, Plakat der dänischen Widerstandsbewegung während des Zweiten Weltkriegs (Museum des dänischen Widerstands 1940-1945)

Krieg und Besatzung zwangen die Bevölkerung, sich mit der neuen Situation zu arrangieren. Viele versuchten, sich anzupassen und ihr Leben so gut wie möglich weiterzuleben, einige unterstützten die Besatzer offen und kollaborierten direkt mit ihnen, andere gingen in den Widerstand. Oft waren die Grenzen zwischen Anpassung, Kollaboration und Widerstand fließend: Personen konnten zunächst passiv sein und sich dann für den Widerstand entscheiden, oder sie konnten zunächst kollaborieren und dann Widerstand leisten oder umgekehrt, oder sie konnten manchmal auch beides zugleich tun.

Widerstandsaktivitäten entwickelten sich in allen europäischen Ländern, und meist begannen sie langsam und mit sehr wenigen Personen. Es gab ein breites Spektrum an Aktivitäten, von gewaltlosen bis hin zu bewaffneten Formen des Widerstands. Einige führten ein scheinbar normales Leben und agierten im Verborgenen, andere gingen in den Untergrund, wieder andere gingen ins Exil und versuchten, den Widerstand von außen zu organisieren und zu unterstützen.

Der Widerstand wurde von Frauen und Männern, jungen und älteren, Einheimischen und Ausländern, aus allen Berufen und Religionen (katholisch, protestantisch, orthodox, jüdisch, muslimisch, atheistisch) und aus allen politischen Richtungen (kommunistisch, sozialistisch, sozialdemokratisch, konservativ, rechts, unpolitisch) getragen. Einige handelten, weil sie die ausländische Besatzung nicht unterstützten, andere, weil sie die faschistische Ideologie ablehnten, einige, weil sie sich persönlich bedroht fühlten, und einige aus all diesen Gründen gleichzeitig.

Mit der Zeit verbesserte sich die Struktur der Widerstandsgruppen, und diese zogen mehr Menschen an. Für Kommunisten in allen Ländern war der entscheidende Moment, in den Widerstand einzutreten, der Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941. Die Zunahme der Widerstandsbewegungen wurde durch die zunehmenden militärischen Erfolge der Sowjetunion, der USA und des Vereinigten Königreichs gegen Nazideutschland ab 1942/43 beeinflusst. Auch die britische Regierung und die anderen Alliierten unterstützten Widerstandsbewegungen aus verschiedenen besetzten Ländern, auch wenn die Beziehungen oft kompliziert waren.

Widerstand zu leisten war eine Entscheidung, die mit vielen Gefahren und Risiken verbunden war, da Menschen, die Widerstand leisteten oder den Widerständlern halfen, von den Besatzern und ihren Kollaborateuren gejagt wurden, und man diejenigen, die erwischt wurden, oft folterte, in Lager deportierte oder hinrichtete. Die Besatzer und ihre Kollaborateure gingen mit brutaler Repression gegen Widerstandsaktivitäten vor, einschließlich Vergeltungsmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung nach Angriffen auf deutsche Soldaten.

Besatzung und Widerstand in Bosnien und Herzegowina und Kroatien: Grundlegende Informationen

Karte: Besetzung und Aufteilung Jugoslawiens durch die Achsenmächte im 2. Weltkrieg (ab 1941). Die graue Linie innerhalb des Unabhängigen Staates Kroatien stellt die Demarkationslinie zwischen der deutschen Besatzungszone (auf der Nordseite) und der italienischen Zone dar. (Quelle: wikimedia commons, gemeinfrei)

Das Königreich Jugoslawien entstand 1918 durch die Vereinigung von Serbien, Montenegro und Teilen der zerfallenen österreichisch-ungarischen Monarchie, zu der auch Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina gehörten. Ursprünglich hieß es Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen und wurde von der serbischen Karađorđević-Dynastie als zentralistisch organisierter Staat regiert. Dies führte zu zahlreichen Konflikten, insbesondere mit kroatischen politischen Parteien, die eine föderale Organisation des Staates anstrebten.

 

Jugoslawien umfasste viele Religionen und Ethnien, wobei Bosnien und Herzegowina mit 2,2 Millionen Einwohnern, die sich hauptsächlich aus orthodoxen Serben, Muslimen, katholischen Kroaten sowie Juden und anderen Gemeinschaften zusammensetzten, das vielfältigste Gebiet war. In Kroatien lebten etwa 3,8 Millionen Menschen, mehrheitlich Kroaten und etwa 17 % Serben.

 

Im April 1941 wurde das Königreich Jugoslawien von Nazideutschland und seinen Verbündeten ‒ Italien, Ungarn und Bulgarien ‒ angegriffen. Die königliche jugoslawische Armee wurde in weniger als zwei Wochen besiegt. Die Regierung und der junge König Peter flohen aus dem Land und blieben für die Dauer des Krieges im Exil in London und Kairo.

 

Jugoslawien wurde besetzt und zerstückelt; der größte Teil wurde zum »Unabhängigen Staat Kroatien« (Nezavisna Država Hrvatska ‒ NDH), der die meisten Teile Kroatiens sowie Bosnien und Herzegowina umfasste. Deutschland hielt die eine Hälfte des Gebiets militärisch besetzt, Italien die andere bis zur Kapitulation Italiens im Jahr 1943, woraufhin deutsche Truppen das gesamte Gebiet besetzten.

 

Die NDH war ein deutsch-italienisches Protektorat, das von der faschistischen Ustascha-Bewegung mit ihrem Führer Ante Pavelić als Staatsoberhaupt regiert wurde. Ziel der Ustascha war es, einen homogenen kroatischen Staat zu schaffen, der auch die Muslime einschloss, die sie als Kroaten islamischen Glaubens betrachteten. Unmittelbar nach der Gründung der NDH begann eine Kampagne der Massengewalt gegen Serben, Juden und Roma, und politische Gegner wurden verfolgt.

 

Diese Politik des Terrors führte zu heftigen Gegenreaktionen, und bald entwickelte sich ein komplexer Krieg, nicht nur zwischen den Besatzern und den Besetzten, sondern auch zwischen den lokalen Kräften, in großem Ausmaß zwischen Kollaboration und Widerstand. Die Hauptakteure waren die Ustascha und die reguläre kroatische Armee (“Domobrani” = Heimwehr) als die wichtigsten NDH-Kräfte, die kommunistisch geführten Partisanen, die serbischen royalistischen Tschetniks und muslimische Milizen. Die Grenzen zwischen den verschiedenen lokalen Kräften waren oft nicht klar definiert, so dass sich Gruppen gegenseitig infiltrierten oder Personen die Seiten wechselten. Auch innerhalb derselben Familie wurden oft verschiedene Seiten bezogen, was dramatische Folgen hatte.

 

In den vier Jahren des Krieges entwickelten sich die kommunistisch geführten Partisanen Jugoslawiens zur größten antifaschistischen Widerstandsbewegung im besetzten Europa, und die NDH, insbesondere Bosnien und Herzegowina, wurde zum Epizentrum ihres militärischen und politischen Kampfes. Die ursprünglichen Guerilla-Einheiten wurden zunehmend in eine reguläre Armee umgewandelt, die 1945 800.000 Soldaten zählte; die Partisanenbewegung zog viele Nichtkommunisten sowie Mitglieder aller ethnischen und religiösen Gruppen an, und auch viele Frauen schlossen sich der Partisanenbewegung an, selbst in Kampfeinheiten. Ihre Hauptgegner waren die deutschen und italienischen Besatzer, die Ustascha, sowie die Tschetniks: Letztere hatten den Krieg als Anti-Besatzungstruppe begonnen und arbeiteten teilweise mit den Partisanen zusammen, kollaborierten aber zunehmend mit den Besatzungs- und NDH-Truppen und betrachteten die Partisanen bald als ihren Hauptfeind.

 

Während die von den Nazis besetzten Länder in Europa 1944/45 hauptsächlich von außen, durch die Truppen der Alliierten unter Führung des Vereinigten Königreichs, der USA und der Sowjetunion, befreit wurden, wurden große Teile Jugoslawiens durch die Partisanenbewegung von innen heraus befreit. Der Grundstein für einen neuen jugoslawischen Staat war von der Partisanenbewegung bereits während des Krieges gelegt worden, und nach dem militärischen Sieg wurde die Monarchie offiziell abgeschafft und die Föderale Volksrepublik Jugoslawien unter der Führung der Kommunistischen Partei gegründet; sie setzte sich aus sechs Republiken zusammen, darunter Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina.

Besatzung und Widerstand in Frankreich: Grundlegende Informationen

Karte: Besatzungszonen in Frankreich während des 2. Weltkriegs (Quelle: wikimedia commons © Eric Gabe, CC BY-SA 4.0)

Frankreich wurde ein Jahr vor Jugoslawien, im Mai 1940, von Nazideutschland angegriffen, erlitt ebenfalls innerhalb weniger Wochen eine vernichtende Niederlage und unterzeichnete im Juni einen von Deutschland diktierten Waffenstillstand. Ähnlich wie in Jugoslawien wurde auch das französische Territorium auf unterschiedliche Weise behandelt: Im Osten Frankreichs wurden das Elsass und Teile Lothringens annektiert, die nördliche Hälfte Frankreichs und die Atlantikküste bis zur spanischen Grenze wurden von der deutschen Wehrmacht besetzt. Für die südliche Hälfte, die sogenannte Freie Zone, galt dies zunächst nicht, bis im November 1942 deutsche Truppen als Reaktion auf die Landung der Alliierten in Nordafrika auch diesen Teil besetzten. Übrigens gab es auch im Südosten Frankreichs eine italienische Besatzungszone, die Deutschland nach der italienischen Kapitulation im Herbst 1943 übernahm.

 

Ähnlich wie die NDH wurde auch in Frankreich im Sommer 1940 ein neues Regime errichtet: der so genannte État français, der die Republik abschaffte und seinen Sitz in Vichy in Zentralfrankreich hatte. Vichy-Frankreich war wie die NDH ein Vasallenstaat Deutschlands, der zunehmend offen kollaborierte, aber es gab auch zwei wichtige Unterschiede. Erstens war Philippe Pétain als Oberhaupt des neuen Staates im Gegensatz zu Ante Pavelić in der NDH außerordentlich populär. Als Sieger der Schlacht von Verdun 1916 gegen die deutsche Armee war er eine Legende des Ersten Weltkriegs, und viele Franzosen glaubten zunächst, dass er ihre Interessen gegen Deutschland verteidigen würde. Und zweitens war Vichy, obwohl es im Vichy-Regime zunehmend einflussreiche faschistische Gruppen gab, wie zum Beispiel die Miliz, die 1943 gegründet wurde, um den Widerstand zu brechen, eher ein nationalkonservativer, autoritärer Staat. Das Regime ging auch nicht sofort mit offenem Terror gegen Teile der eigenen Bevölkerung vor und baute seine antisemitischen Maßnahmen schrittweise aus, bis hin zur offenen Verfolgung von Juden ab 1942.

 

Die Widerstandsaktivitäten in Frankreich begannen langsam und zunächst auf unterschiedlichen Wegen. Es gab kleine Gruppen, die einerseits in der deutschen Besatzungszone und andererseits in der vom Vichy-Regime kontrollierten sogenannten »freien Zone« agierten, die aber untereinander wenig Kontakt hatten. Hinzu kam der Exilwiderstand unter der Führung von Charles de Gaulle, der im Juni 1940 von London aus das »Freie Frankreich« ausgerufen hatte. In den Jahren 1941/42 nahmen die Gruppen strukturelle Verbesserungen vor, und die von de Gaulle geführten Freien Französischen Streitkräfte begannen, sich mit Unterstützung des Vereinigten Königreichs und der USA an Kampfhandlungen in Afrika zu beteiligen. Die Zersplitterung in mehrere Bewegungen war eine der größten Schwächen des französischen Widerstands, aber 1943, nach zahlreichen Bemühungen, einigten sich die meisten Widerstandsgruppen darauf, de Gaulles Führung zu akzeptieren und gründeten den Nationalen Widerstandsrat (Conseil National de la Résistance; CNR) als zentrale Koordinierungsinstanz unter sich.

 

Wichtige Schritte für die Entwicklung des Widerstands in Frankreich waren auch der Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion im Juni 1941 ‒ danach wurde die mächtige Kommunistische Partei Frankreichs zu einer der aktivsten Gruppen im französischen Widerstand ‒ und im Februar 1943 die offizielle Einführung des obligatorischen Arbeitsdienstes durch das Vichy-Regime, der darauf abzielte, junge Männer zur Arbeit in Fabriken in Deutschland zu schicken. Viele junge Männer tauchten unter und ein Teil von ihnen schloss sich Widerstandsgruppen an, um der Zwangsentsendung nach Deutschland zu entgehen.

 

Mit der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 begann die Befreiung Frankreichs. Die Freien Französischen Streitkräfte unter der Führung von General de Gaulle nahmen an den militärischen Operationen teil und waren die ersten, die im August 1944 das befreite Paris betraten. Auch die internen Widerstandsbewegungen beteiligten sich aktiv am Befreiungsprozess. Die Befreiung Frankreichs wäre aber zweifellos ohne die britischen und amerikanischen Truppen nicht möglich gewesen.

 

Im August 1944 wird der Nationale Widerstandsrat unter der Führung von Charles de Gaulle zur provisorischen Regierung der Französischen Republik. Er erklärt die Gesetze des Vichy-Regimes für ungültig, führt die republikanische Gesetzgebung im französischen Mutterland wieder ein und leitet verschiedene politische und soziale Reformen ein.

Das Naziregime und der Widerstand in Deutschland: Grundlegende Informationen

Illustration: Massenkundgebung in Hamburg während eines Besuchs von Adolf Hitler, 13. Juni 1936. Unter all den Menschen, die den Hitlergruß zeigen, bleibt ein Mann mit verschränkten Armen stehen. Die Person wurde später nicht sicher identifiziert, es könnte sich um August Landesser oder Gustav Wegert handeln. (Quelle: arastiralim.net, Public domain, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:August-Landmesser-Almanya-1936.jpg )

Der Kontext in Deutschland war ein völlig anderer als in Jugoslawien und Frankreich. Deutschland war kein Land, das von einem fremden Staat angegriffen und besetzt wurde, sondern das Land, in dem die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernommen und dann während des Zweiten Weltkriegs große Teile Europas überfallen und besetzt hatten. Die Besatzungspolitik wurde überall gewaltsam durchgesetzt, in Osteuropa in der Regel mit noch größerer Gewalt als im Westen. In den überfallenen und besetzten Ländern installierte Nazideutschland oft Kollaborationsregime, wie den Unabhängigen Staat Kroatien oder die Vichyregierung, um die eigenen Kräfte zu schonen.

 

Was die Situation in Deutschland anbelangt, so wurde Hitler am 31. Januar 1933 rechtmäßig zum Reichskanzler ernannt, und viele dachten, dass er nicht lange an der Macht bleiben würde. Doch die Naziführung nutzte den Reichstagsbrand im Februar 1933, um die bürgerlichen Grundrechte drastisch einzuschränken und politische Gegner massenhaft zu verhaften. In diesem Klima des Terrors stimmte die Mehrheit des Parlaments am 23. März dafür, der Regierung mit dem sogenannten Ermächtigungsgesetz alle Befugnisse zu übertragen. Alle kommunistischen Abgeordneten waren zu diesem Zeitpunkt bereits verhaftet worden; nur die anwesenden sozialdemokratischen Abgeordneten stimmten gegen das Gesetz.

 

Deutschland wurde in eine Diktatur verwandelt, die zunehmend alle gesellschaftlichen und alltäglichen Ebenen durchdrang. Mittels Propaganda und Terror, wirtschaftspolitischen Maßnahmen, außenpolitischen und anfänglichen Kriegserfolgen sicherte sich das NS-Regime auch den Rückhalt in der deutschen Bevölkerung. Die Entwicklung totalitärer Machtstrukturen und die Haltung der Bevölkerung, die zwischen Konformismus, Zustimmung und aktiver Teilnahme schwankte, minimierten auch den Spielraum für Widerstand innerhalb der Gesellschaft.

 

Unter diesen Bedingungen blieb der Widerstand in Deutschland zwischen 1933 und 1945 äußerst zersplittert und isoliert. Trotz strenger Verfolgung entwickelten sich in den ersten Jahren vor allem innerhalb der Arbeiterbewegung geheime Widerstandsaktivitäten, wie etwa das Drucken und Verteilen von Anti-Nazi-Flugblättern. Viele Nazigegner gingen ins Exil, wo sie versuchten, die Gegner in Deutschland zu unterstützen und die Bevölkerung und die Behörden ihrer Gastländer über die Gefährlichkeit von Hitler und Nazideutschland zu informieren. Während des Zweiten Weltkriegs wuchs in bestimmten Kreisen die Skepsis gegenüber dem Regime, insbesondere nach den ersten militärischen Niederlagen Deutschlands, der immer schwieriger werdenden Versorgungslage und den Nachrichten über die brutale Kriegsführung im Osten, auch gegen die Zivilbevölkerung, sowie über die systematische Ermordung der Juden. Innerhalb der Armee gab es Überlegungen, wie man Hitler stoppen könnte; diese gipfelten in dem Plan, ihn zu ermorden, die Kontrolle über die Regierung zu übernehmen und in Friedensverhandlungen mit den Alliierten einzutreten. An dieser Verschwörung waren hochrangige Offiziere beteiligt, die ein Netzwerk von mehreren hundert Personen bildeten, darunter ehemalige Politiker der konservativen und sozialdemokratischen Parteien. Doch das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 scheiterte, und viele der Beteiligten wurden verhaftet und hingerichtet. Es handelte sich um einen der seltenen Versuche des gewaltsamen Widerstands gegen das NS-Regime in Deutschland. Im Allgemeinen waren Gruppen oder Einzelpersonen in Deutschland eher im Bereich des zivilen Widerstands aktiv, indem sie beispielsweise versuchten, andere über die Realitäten des NS-Regimes zu informieren oder Juden oder anderen Verfolgten zu helfen.

 

 

 

 

Die Erinnerung an den Widerstand in Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Frankreich und Deutschland

Wie wurde die Geschichte des Widerstands nach 1945 weitergegeben? Auch hier gibt es in Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Frankreich und Deutschland unterschiedliche Situationen und Entwicklungen, aber auch Gemeinsamkeiten. In Frankreich und in Jugoslawien wurde der Bezug auf den eigenen Widerstand zum vorherrschenden staatlichen Narrativ nach 1945, bis sich die Situation in Jugoslawien in den 1990er Jahren radikal änderte. Mit dem Aufkommen des Nationalismus, dem gewaltsamen Zerfall Jugoslawiens und der Gründung neuer Staaten wurde das Erbe der Partisanen gewaltsam abgelehnt, geriet in Vergessenheit oder wurde in nationalistischer Perspektive umgedeutet, wodurch es seiner multinationalen und kommunistischen Bedeutung beraubt wurde. In der Zwischenzeit bleibt in Frankreich der Bezug auf den eigenen Widerstand ein wichtiger Bestandteil der historischen Selbstdefinition des Landes, auch wenn er sich erheblich weiterentwickelt hat: In den 1970er und 1980er Jahren rückte beispielsweise das Thema Kollaboration stärker in den Vordergrund, und die Verklärung des Widerstands wurde zunehmend in Frage gestellt. Deutschland stellt eine interessante Mischung aus beiden Entwicklungen und auch einen Sonderfall dar: Einerseits wurde in Ostdeutschland der Bezug auf den (kommunistischen) Widerstand nach 1945 zu einer tragenden Säule, was sich mit der Auflösung der DDR und der deutschen (Wieder-)Vereinigung 1990 radikal änderte. Andererseits war in Westdeutschland der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den ersten Jahrzehnten nach 1945 ein heftig umstrittenes Thema, bevor er allgemein akzeptiert und positiv konnotiert wurde.

Abbildung: Gedenktafel auf dem Place du Souvenir et de la Résistance in der französischen Stadt Colombes. (Chabe01, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons)

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