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Die Große Moschee von Paris, ein wenig bekannter Ort des Widerstands

Die ab 1922 erbaute und im Juli 1926 von Präsident Gaston Doumergue eingeweihte Große Moschee von Paris feierte die französisch-muslimische Freundschaft unter dem Schirm der Kolonialisierung. Nach dem Vorbild der El Qaraouiyyîn-Moschee im marokkanischen Fes wurde sie zu einem bedeutenden kulturellen und religiösen Zentrum im Herzen der französischen Hauptstadt, mit einer Gebetsstätte, einer Madrassa (Schule), einer Bibliothek, einer Teestube, Geschäften und einem Hammam.

Die Moschee, die von 1926 bis zu seinem Tod im Jahr 1954 von dem algerischen Rektor Si Kaddour Ben Ghabrit geleitet wurde, ist für ihre Rolle bei der Kolonialisierung und Dekolonialisierung bekannt, wohingegen ihre Rolle während der Besetzung Frankreichs durch Nazideutschland weniger bekannt ist. Tatsächlich wurde die Moschee für einige Muslime, die auf dem französischen Festland lebten, zu einem aktiven Ort des Widerstands. Dies gilt insbesondere für die einheimischen algerischen Mitglieder der Gruppe Francs-tireurs partisans (FTP), deren Aufgabe in erster Linie darin bestand, britische Fallschirmspringer in den Kellern der Moschee zu schützen und zu unterstützen. Ein gutes Beispiel dafür veranschaulicht im Nachhinein eine Sequenz aus Gérard Ourys populärem Film La Grande Vadrouille (1966, der im Vereinigten Königreich unter dem Titel Don’t Look Now… We’re Being Shot At! erschien). Aber auch eine andere Form des Widerstands nahm unter den Moscheebenutzern allmählich Gestalt an, sprich die Solidarität mit jüdischen Familien. Unter der Führung der einheimischen algerischen FTP und ihrer Netzwerke wurden ab 1940 mehrere hundert Personen heimlich in der Moschee untergebracht. Juden warteten dort oft auf gefälschte Papiere, um aus der Hauptstadt in die „unbesetzte“ Zone oder ins Ausland fliehen zu können, und oft auch, um über das Mittelmeer nach Algier und in den Maghreb zu gelangen.

Die Zahl der zwischen 1940 und 1944 geretteten Personen ist ungewiss, umstritten und variiert je nach Quelle, soll aber bei etwa tausend liegen. Der Rektor Si Kaddour Ben Ghabrit selbst soll etwa hundert Juden gerettet haben, indem er ihnen von den Verwaltungsangestellten der Moschee Bescheinigungen über ihre muslimische Identität ausstellen ließ, damit sie der Deportation entgehen konnten.

Diese Geschichte, die vor allem aufgrund des Algerienkriegs allmählich aus dem kollektiven Gedächtnis Frankreichs verschwunden war, wurde Ende des 20. Jahrhunderts durch die Arbeit von Historikern, Dokumentarfilmen und dem Film Les Hommes Libres (Die freien Männer) des französischen Regisseurs marokkanischer Herkunft Ismaël Ferrouki aus dem Jahr 2011 wieder aufgegriffen. In einer Zeit, in der Spannungen zwischen Juden und Muslimen im XXI. Jahrhundert unaufhaltsam zu sein scheinen, ist die Haltung der „Gerechten unter den Völkern in der Pariser Moschee ein Hoffnungsträger.

Yvan Gastaut

Videos

Trailer des Films „Les hommes libres“ (Die freien Männer), mit englischen Untertiteln

Fernsehbericht über den Film Les Hommes Libres, Euronews, 29.9.2011:

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