Nazad
Nachkriegspläne Organisation von Widerstand

Die Vereinigung des Widerstands

In den meisten Ländern, in denen Menschen Widerstand gegen Nationalsozialismus und Faschismus leisteten, gab es zunächst keine einheitliche Widerstandsbewegung, sondern verschiedene, zum Teil miteinander rivalisierende Gruppen. Der Widerstand ging oft nicht von einer zentralen Organisation aus, sondern entstand spontan. Dies war zum Beispiel in Frankreich der Fall, wo es bis 1943 nicht die Résistance, sondern Résistances (im Plural) gab.
Frankreich war seit Juni 1940 in einen von Deutschland besetzten Nordwesten und einen unbesetzten Südosten geteilt, was die Kommunikation und die Bildung einheitlicher Widerstandsbewegungen erschwerte. Hinzu kam der Exilwiderstand von Charles de Gaulle, der im Juni 1940 von London aus das „Freie Frankreich“ proklamiert hatte.
Innerhalb Frankreichs bildeten sich ab 1941 allmählich Widerstandsbewegungen, die u. a. Untergrundzeitungen herausgaben, Informationen sammelten und paramilitärische Einheiten aufbauten. Zwei Merkmale zeichneten sie aus: Erstens hatten sich die meisten unabhängig von den alten politischen Parteien der „Dritten Republik“ gebildet und lehnten diese ausdrücklich ab, da sie sie für die Niederlage Frankreichs verantwortlich machten. Zweitens hatten sie zunächst keine Verbindung zu de Gaulle und waren bestrebt, sich unabhängig von ihm zu entwickeln.
Für de Gaulle war die Vereinigung dieser Widerstandsgruppen unter seiner Zuständigkeit von entscheidender Bedeutung, um sich gegenüber den anglo-amerikanischen Verbündeten als legitimer Vertreter Frankreichs zu präsentieren. Zwei Schlüsselfiguren in diesem Vereinigungsprozess waren Pierre Brossolette und Jean Moulin: Beide hatten de Gaulle in London besucht und von ihm den Auftrag erhalten, den Widerstand zu vereinen ‒ Moulin für die Südzone, Brossolette für die Nordzone. Beide waren äußerst geschickt in ihrem Vorgehen und verhandelten erfolgreich mit den Führern der großen Widerstandsbewegungen, die sehr auf ihre Unabhängigkeit bedacht waren.
Allerdings hatten Brossolette und Moulin unterschiedliche Visionen für den vereinigten Widerstand und für die Zeit nach der Befreiung. Brossolette vertrat die Ansicht, dass die alten Parteien nicht Teil des vereinigten Widerstands sein sollten, und plädierte für ein neues Frankreich, das alle „geistigen Familien“ des Landes vereinte. Moulin hingegen hielt die Einbeziehung der Parteien für unabdingbar, da er wusste, dass die Alliierten sie als legitime politische Kräfte sahen und dass ihre Unterstützung für de Gaulle notwendig war, um die Zustimmung der Alliierten zu erhalten. Moulins Strategie trug den Sieg davon: Dem “Conseil national de la Résistance” (Nationaler Widerstandsrat), der am 27. Mai 1943 zum ersten Mal zusammentrat, gehörten nicht nur die verschiedenen Widerstandsbewegungen an, sondern auch Vertreter von sechs Parteien.
Beide Protagonisten der Vereinigung bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben. Sie fielen einem Verrat zum Opfer und wurden von den Besatzern verhaftet. Moulin wurde von der Gestapo zu Tode gefoltert, während Brossolette aus einem Fenster sprang, bevor seine Schergen mit dem Verhör beginnen konnten.

 

Matthias Waechter

Quellen / Weiterführende Literatur

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