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Schleuser: „Helden“ oder „Mörder“?

Schleuser: Ein Beruf, für den Menschen, potenzielle Helden oder Mörder, ihre reguläre Arbeit aufgeben“, schreibt Henri Amouroux in seinem Buch Das Leben der Franzosen unter der Besatzung (1961).
Ein Schleuser ist jemand, der Menschen über eine Grenze bringt. In den von Nazideutschland besetzten Ländern spielten Schleuser sofort eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Menschen, die sich Widerstandsbewegungen anschließen oder ihren Verfolgern entkommen wollten. In Frankreich waren Schleuser Männer und Frauen aus den Grenzregionen, insbesondere mit der „neutralen“ Schweiz und Spanien, oder in der Umgebung der Demarkationslinie, die von Juni 1940 bis November 1942 die besetzte Zone von der so genannten „Freien Zone“ des Vichy-Regimes trennte. Ob Bauern, Zöllner, Studenten, Väter oder Mütter: Die Schleuser mussten sich vor Ort bestens auskennen, um ihre gefährlichen Missionen durchführen zu können, in Regionen, die von Polizei und Armee streng überwacht wurden. Oft hatten sie Verbindungen zu Widerstandsgruppen.

In Jugoslawien transferierte die illegale Kommunistische Partei bereits vor dem Krieg ihre Mitglieder regelmäßig von einem zu einem anderen Ort, innerhalb und außerhalb des Landes, und während der Besatzung schleuste sie sie aus den Städten in befreite ländliche Gegenden. 1944 betätigten sich serbisch-royalistischen Tschetniks als Schleuser für amerikanische Piloten, deren Flugzeuge von den Deutschen abgeschossen worden waren, um dadurch ihre Position bei den Alliierten zu verbessern.
Aufgrund der Intensivierung der Judenverfolgung und den großen Razzien im Sommer 1942 wollten Zehntausende von Juden Frankreich verlassen, und die Zahl der Schleuser nahm zu. Neben denjenigen, die aus Überzeugung handelten – im Dienste einer politischen oder militärischen Widerstandsgruppe oder aus Humanismus und Ablehnung vom Antisemitismus, gab es auch Opportunisten, welche die Aussicht auf Profit lockte. Im Unabhängigen Staat Kroatien brachten Schleuser Juden aus der deutschen in die italienische Besatzungszone, manchmal gegen Bezahlung. Françoise Frenkel, eine in Frankreich lebende polnische Jüdin, wurde im Dezember 1942 an der Schweizer Grenze verhaftet, weil ein bezahlter Schleuser sie beim ersten Anzeichen von Gefahr im Stich ließ. Bei ihrem zweiten, erfolgreichen Versuch im Juni 1943 wurde sie von einem jüdischen Rettungsnetzwerk einem wohlwollenden französischen Zollbeamten anvertraut.
Der Schleuser ist der Inbegriff dieser Grauzone, die Henri Amouroux in seinem Zitat beschreibt. Um die „Helden“ von den “Mördern” zu unterscheiden und erstgenannte zu ehren, wurde 1946 von der französischen Regierung der Titel des Schleusers („Passeur“) anerkannt, der von den Behörden nach einer Untersuchung verliehen wurde. Der Transfer von Mitgliedern der Résistance oder von Militärs in vom “Freien Frankreich” kontrollierten Regionen oder in verbündete oder neutrale Länder wurde als Akt des Widerstands gewertet. Schleuser jüdischer Flüchtlinge werden von der Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt, wenn sie aus Altruismus gehandelt haben.

 

Corine Defrance & Vladan Vukliš

Quellen / weitere Informationen
  • Ruth Fivaz-Silbermann, “Filières de passage de la France vers la Suisse”, Revue d’Histoire de la Shoah, vol. 203, n° 2 (2015), 21-50.
  • Thomas Ferrer, Passeurs et évadés dans les Pyrénées. Franchir la frontière franco-espagnole durant la Seconde Guerre mondiale (Morlaàs: Cairn éditions, 2018).
  • Ratna sećanja: Veze u NOB-u 1941–1945, I–V (Beograd: Vojnoizdavački zavod, 1981).
  • Jozo Tomasevich, War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945: The Chetniks (Stanford University Press, 1975).
  • Oral history interview with Ivo Herzer (1989), USHMM, RG-50.030.0097 (https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn504591)

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