Mit dem Ausbruch des Krieges und der Besetzung vieler Teile Europas organisierten die deutschen Streitkräfte systematisch die Plünderung von Museen und auch von Privateigentum, insbesondere von jüdischen Familien, die enteignet wurden. Es handelte sich um Kunstwerke, Musikinstrumente, ganze Bibliotheken, Buchhandlungen ‒ darunter die von Françoise Frenkel geführte französische Buchhandlung in Berlin ‒ und sogar Alltagsgegenstände wie Nähmaschinen. Oft wurden in Familien, Museen und anderen Institutionen diese Objekte versteckt, um sie vor diesem organisierten Diebstahl zu schützen.
In Frankreich richtete die Regierung von Marschall Pétain, die am 22. Juni 1940 den Waffenstillstand unterzeichnete, im Oktober desselben Jahres den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) im Museum Jeu de Paume in Paris ein. Aufgabe dieser Organisation war es, Sammlungen von Juden, Freimaurern und Gegnern des „Dritten Reichs“ zu beschlagnahmen. Die Werke wurden aufgelistet, enteignet und im Jeu de Paume gelagert, bevor sie nach Deutschland transportiert wurden.
Bald organiserte sich Widerstand gegen diese Kunstplünderung, in Frankreich und auch in anderen Ländern wie Jugoslawien, wo die Nazis nach der Besetzung von Sarajevo 1941 die Wertgegenstände der Stadt plünderten. Sie versuchten auch, sich der Haggada zu bemächtigen, einem illuminierten jüdischen sephardischen Manuskript aus dem 14. Jahrhundert, das traditionell beim Pessachfest vorgelesen wird. Doch Derviš Korkut, der Kurator des Landesmuseums von Bosnien-Herzegowina, der mit seiner Familie an der Rettung von Juden beteiligt war, konnte das unschätzbare Buch aus der Stadt bringen. Er versteckte es im Haus einer muslimischen Familie etwa fünfzig Kilometer von Sarajevo entfernt. Nach dem Ende des Krieges wurde die Haggada an das Museum zurückgegeben, wo sie heute zu den wertvollsten Stücken des Museums gehört.
In Paris schrieb Rose Valland, die für die Sammlungen und Ausstellungen des Museums Jeu de Paume zuständig war, die Listen der geraubten Werke ab und übergab sie Jacques Jaujard, dem Direktor der Nationalmuseen und der École du Louvre, der offiziell einem Widerstandsnetz angehörte. Im August 1944 wurden auf Befehl von Göring 5 Zugwaggons gemietet, um 148 Kisten mit modernen Kunstwerken, die noch im Museum lagerten, nach Deutschland zu transportieren. Dank der Warnungen von Rose Valland und der Bemühungen der zur Résistance gehörenden Eisenbahner hat dieses Museum auf Rädern, das die größten Meisterwerke der französischen Kunst enthält, Paris nie verlassen.
Nach dem Krieg machte sich Rose Valland auf die Suche nach Kunstwerken in den Gebieten, die zu Nazideutschland gehört hatten. Dank sorgfältiger Nachforschungen konnten zwischen 1945 und 1953 über 50.000 Kulturgüter nach Frankreich zurückgebracht werden. Doch bis heute suchen die Kommissionen weiter nach geraubten Gütern und organisieren Rückgaben. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf wertvollen, identifizierbaren Objekten, was mit einer soziologischen Verzerrung hinsichtlich der Opfer einhergeht.
Marie-Édith Agostini, Corine Defrance, Dino Dupanović