Nazad
* Minderheiten Repression Transnationaler Widerstand

„Das Plakat, das wie ein Blutfleck aussah“

L’Affiche Rouge (“das rote Plakat”) ist ein Propagandaplakat, das im Februar 1944 von der Vichy-Regierung und der NS-Verwaltung im besetzten Frankreich verbreitet wurde. Es zeigt zehn Mitglieder der sogenannten Manouchian-Gruppe der FTP-MOI. Dieser in Paris ansässige kommunistische Widerstandskreis unter der Leitung von Missak Manouchian war im Herbst 1943 enttarnt worden, seine Mitglieder wurden verhaftet und einem Schauprozess unterzogen. Die Männer und Frauen der Manouchian-Gruppe wurden als ausländische Söldner und Terroristen dargestellt, wie auch eine Schlagzeile in der petainistischen Zeitung Le Matin vom 19. Februar 1944 deutlcih macht: „Das deutsche Militärtribunal stellt 24 Terroristen vor Gericht, die 37 Anschläge und 14 Eisenbahn-Attacken durchgeführt haben. Ein Armenier, Missak Manouchian, führte diese internationale Bande von Mördern und Zerstörern an, für 2.300 Francs pro Monat.“

L’Affiche Rouge, das im Format 120 × 80 cm in den meisten französischen Städten und Dörfern aufgehängt wurde, spielte mit den psychologischen Mechanismen von Angst und Fremdenfeindlichkeit. Das Layout war geschickt gestaltet: Die Farbe Rot erinnerte an Blut und Kommunismus, die zehn hageren Gesichter, die nach dem Verhör fotografiert wurden, wirkten verstörend, die Erwähnung der ausländischen Herkunft der Person, ihrer jüdischen Zugehörigkeit und ihrer politischen Partei unter jedem Porträt sollte Rassismus und Antisemitismus schüren. Im unteren Teil des Plakats wurden Fotos von Anschlägen und Zerstörungen gezeigt, um diese Kämpfer als Kriminelle darzustellen. Der spöttische und verächtliche Titel des Plakats lautete: “Befreier? Befreiung durch eine Verbrecher-Armee!” und sollte die Widerstandskämpfer der Lächerlichkeit preisgeben. Das Plakat L’Affiche Rouge ähnelt in seiner visuellen Gestaltung den Plakaten, die im besetzten Jugoslawien verwendet wurden, insbesondere einem in Serbien hergestellten Plakat, das auf rotem Hintergrund ein Totenkopfgesicht mit Partisanenkopfbedeckung zeigt. Die weiße Beschriftung lautet: „Befreier? Nein, niemals…“

Die Mitglieder der Manouchian-Gruppe, darunter der Fußballspieler Rino Della Negra

wurden zum Tode verurteilt und am 21. Februar 1944 in Mont-Valérien erschossen. 1950 war Paul Éluard der erste, der den Gefallenen Tribut zollte. Er schrieb ein Gedicht, Légion (Legion), das in der Sammlung Hommages veröffentlicht wurde, „zum Gedenken an dreiundzwanzig ausländische Terroristen, die in Paris von den Deutschen gefoltert und erschossen wurden“, und betonte darin ihre Verbindung zu Frankreich: „Sie hatten das Blut ihrer Mitmenschen in ihrem Blut. Diese Ausländer wussten, dass es [Frankreich] ihr Heimatland war.“ 1955 schrieb Louis Aragon dann Strophes pour se souvenir (Gedächtnisverse), ein Gedicht zum Ruhm der Ausländer in der Résistance, in dem er die Partisanen der Manouchian-Gruppe feierte. Das Gedicht wurde vertont und 1961 von Monique Morelli und später von Léo Ferré gesungen, was zu seiner Bekanntheit beitrug. Insgesamt war bis in die 1980er Jahre die Geschichte der Immigranten, die in Frankreich gegen den Nationalsozialismus kämpften, wenig bekannt. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert, dank neuer historischer Forschungen. Die “Affiche Rouge”, die die Einwanderer diskreditieren sollte, ist heute zu einem Symbol für ihren wichtigen Beitrag zur Résistance in Frankreich geworden. nd”. Then, in 1955, Louis Aragon wrote Strophes pour se souvenir (Remembrance verses), a poem to the glory of foreigners in the Resistance, celebrating the partisans of the Manouchian group. The poem was set to music and sung by Monique Morelli in 1961, then by Léo Ferré, which contributed to its fame. Little known until the 1980’s, the history of immigrants fighting against Nazism in France has been much more researched in recent decades, and the Affiche Rouge, wich was meant to discredit them, has become a symbol for their important contribution to the Resistance in France.

 

Yvan Gastaut, Marie-Édith Agostini & Vladan Vukliš

Quellen
  • Louis Aragon, “Strophes pour se souvenir” (1955), in: Le Roman inachevé (Paris: Gallimard, 1956), 227–228

  • Paul Éluard, “Légion”, in: Œuvres complètes (Paris : Pléiade, 1968)

  • Mélinée Manouchian, Manouchian (Paris : Les Éditeurs français réunis, 1954)

  • Philippe Robrieux, L’Affaire Manouchian : Vie et mort d’un héros communiste (Paris: Fayard, 1986)

Weitere Infromationen
  • Denis Peschanski, Les étrangers dans la Résistance (Paris: Atelier, 2013)

  • Video-Interview mit der Historikerin Claire Mouradian “Missak Manouchian : Hero of the French resistance”, February 2024 (Französisch mit englischen Untertiteln): https://www.youtube.com/watch?v=QVFh-DXWiXA

Videos
Monique Morelli trägt Aragon's Gedicht im Fernsehen vor, 1961
Lied von Leo Ferré, “L’Affiche rouge”:

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