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Die Schwarze Hand

Sie waren zwischen 14 und 16 Jahre jung, als sie nach der militärischen Niederlage Frankreichs im Juni 1940 eine der ersten Widerstandsgruppen gründeten. Sie lebten in der Region Elsass, die nicht nur von deutschen Truppen besetzt war, sondern vom Deutschen Reich annektiert und einer umfassenden Politik der Nazifizierung unterworfen wurde, die auch die Auslöschung der französischen Sprache und Traditionen in dieser mehrsprachigen Grenzregion anvisierte.

Die Gruppe mit dem Namen „La main noire“ (Die schwarze Hand) wurde im September 1940 von dem 16-jährigen Marcel Weinum gegründet und umfasste bald 25 Jungen, zumeist Lehrlinge, die meisten von ihnen praktizierende Katholiken. Sie weigerten sich, die Annexion des Elsass und dessen Nazifizierung zu akzeptieren. Die Mitglieder der Main Noire organisierten sich in kleinen Gruppen, ohne das Wissen ihrer Eltern und ohne die Unterstützung von Erwachsenen, und führten eine breite Palette von Widerstandsaktivitäten durch: Propaganda gegen die Nazis, z. B. durch Flugblätter und Graffiti, Waffendiebstahl, Sabotageaktionen und das Sammeln von Informationen. Der Name der Gruppe sollte „die rachsüchtige Hand symbolisieren, die sich gegen die im Elsass begangenen Naziübergriffe wehrt“.

Am späten Abend des 8. Mai 1941 gingen Marcel Weinum zusammen mit einem anderen Mitglied der Gruppe, Albert Uhlrich, durch die unbeleuchteten Straßen Straßburgs. Sie trugen Granaten in einer Aktentasche bei sich, um Schaufenster von Geschäften zu zerstören, in denen Bilder von Hitler ausgestellt waren. Doch dann sahen sie ein Auto mit der Hakenkreuzfahne, das unbewacht vor einem Restaurant geparkt war – es gehörte offensichtlich einem hochrangigen Nazi. Also beschlossen sie, zwei Granaten auf das Auto zu werfen, das dadurch schwer beschädigt wurde. Deutsche Soldaten waren schnell zur Stelle, aber den beiden gelang es zu entkommen. Es stellte sich heraus, dass das Auto Gauleiter Robert Wagner gehörte, dem höchsten Nazi-Vertreter im Elsass.

Ende Mai 1941 wurden Marcel Weinum und viele andere Mitglieder verhaftet und vor Gericht gestellt. Weinum wurde zum Tode verurteilt und am 14. April 1942 enthauptet, während andere zu Gefängnisstrafen verurteilt oder zur Wehrmacht an die Ostfront eingezogen wurden. Nach dem Krieg blieb die Gruppe zunächst viele Jahrzehnte in Vergessenheit. Heute wird sie im Elsass als eine der ersten Widerstandsgruppen verehrt, doch der breiten Öffentlichkeit in Frankreich und Deutschland sind sie nach wie vor unbekannt, was sicherlich auch auf die besondere Situation des Elsass zurückzuführen ist: „La main noire“ wird in Deutschland nicht als Teil des deustchen Widerstands angesehen, und der Widerstand im Elsass war nicht direkt mit den großen Widerstandsbewegungen in Frankreich verbunden.

 

Nicolas Moll

Quellen / Weitere Informationen
  • Gérard Pfister (dir.), Marcel Weinum et la Main Noire, Éditions Arfuyen, Paris-Orbey, 2007 (mit Aussagen von Zeitzeugen und Originaldokumenten)
  • Madison Whipple, Marcel Weinum & La Main Noire: Alsace’s Youth Resistance During WWII: https://www.thecollector.com/marcel-weinum-la-main-noire/ ,
    18.7.2023
  • „L’hommage aux jeunes résistants alsaciens de la Main noire” [Tribute to the young Alsatian resistance fighters of the Black Hand], Hommage an die jungen elsässischen Widerstandskämpfer der Schwarzen Hand], 14.4.2012 : Kurzer Fernsehbericht über die Enthüllung einer Straßentafel, die nach Ceslav Sieradzki benannt ist, einem der Mitglieder von La main noire: https://enseignants.lumni.fr/fiche-media/00000003438/l-hommage-aux-jeunes-resistants-alsaciens-de-la-main-noire.html

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