Nazad

Publikation

Das Buch “Wer ist Walter? International Perspectives on Resistance in Europe during World War II” (Internationale Perspektiven auf den Widerstand in Europa während des Zweiten Weltkriegs) versammelt 32 Beiträge und Fallstudien zur Geschichte des Widerstands gegen Nationalsozialismus, Faschismus, Besatzung und Kollaboration während des Zweiten Weltkriegs sowie zu dessen Vermittlung nach 1945, insbesondere in Museen. Die Autoren sind Historiker, Kuratoren und andere Forscher aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Frankreich, Deutschland, Serbien und weiteren Ländern.

Das Buch ist eines der drei Ergebnisse des internationalen Forschungsprojekts “Wer ist Walter? Resistance against Nazism in Europe”, organisiert von crossborder factory, dem Historischen Museum von Bosnien und Herzegowina, dem Centre International de Formation Européenne (CIFE) und der Gedenkstätte Jasenovac, mit Unterstützung der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und des Bundesministeriums der Finanzen (BMF).

Das Buch kann im pdf-Format (Gesamtausgabe oder einzelne Artikel) von dieser Website heruntergeladen werden (siehe unten). Wenn Sie die gedruckte Version des Buches erhalten möchten, schreiben Sie bitte an: info@weristwalter.eu

Hinweis: Für die pdf-Ausgabe wurden die Abbildungen in einer geringeren Auflösung wiedergegeben als in der Druckausgabe.

Introductory Part (Einleitender Teil)

Introduction: Wer ist Walter (Einleitung: Wer ist Walter?) | Elma Hašimbegović / Nicolas Moll / Ivo Pejaković

Vladimir Per Vladimir Perić “Valter” war der Hauptorganisator des kommunistisch geführten Widerstands im von den Nazis besetzten Sarajevo während des Zweiten Weltkriegs. In Sarajevo ist er eine Legende, aber in den meisten anderen Teilen Europas hat fast niemand von ihm gehört. Als Ausgangspunkt für das vorliegende Buch steht die Frage “Wer ist Walter?” symbolisch für die Feststellung, dass viele von uns in Europa wenig bis gar nichts über die Geschichte und die Erinnerungen an den Widerstand gegen Nazismus, Faschismus, Besatzung und Kollaboration während des Zweiten Weltkriegs in anderen europäischen Ländern wissen. Die Einleitung beginnt mit einem Überblick über die Entwicklung der historiographischen Forschung über den Widerstand während des Zweiten Weltkriegs in europäischer Perspektive, und erläutert dann die Ziele dieses Buches, das einen Beitrag zur Erforschung des Widerstands in Europa in einer interdisziplinären, internationalen, transnationalen und vergleichenden Perspektive leisten will. Geographisch liegt der Schwerpunkt auf vier Ländern, die unterschiedliche Regionen und historische und politische Kontexte in Europa repräsentieren: Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Frankreich und Deutschland. Die versammelten Fallstudien behandeln aus unterschiedlichen Perspektiven übergreifende Themen, die wir für ein besseres Verständnis der Geschichte und Komplexität des Widerstands in den genannten Ländern und darüber hinaus für wichtig halten. Die Einleitung stellt dann kurz die 32 Texte vor, die in diesem Buch in acht Teilen versammelt sind ‒ ein einleitender Teil, vier Teile zu verschiedenen Aspekten der Geschichte des Widerstands bis 1945 und drei zur Vermittlung dieser Geschichte nach 1945, insbesondere in Museen.

Why Did They Resist? Motivations for Entering into Resistance in the Independent State of Croatia. (Warum haben sie Widerstand geleistet? Beweggründe für den Widerstand im Unabhängigen Staat Kroatien) | Hrvoje Klasić

Während des Zweiten Weltkriegs war der größte Teil des Königreichs Jugoslawien besetzt, und in seinem zentralen Teil wurde der Unabhängige Staat Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska ‒ NDH) gegründet, in dem die Deutschen und Italiener die kroatisch-nationalistische Ustascha-Bewegung an die Macht brachten. Von Seiten der jugoslawischen Kommunisten gab es früh die Bereitschaft, gegen die Besatzer und ihre lokalen Kollaborateure zu kämpfen. Dies führte zur Bildung der Partisanenbewegung, die sich bis zum Ende des Krieges zur größten und wirksamsten Widerstandsbewegung in Europa entwickelte. Der Erfolg dieser Bewegung erklärt sich weitgehend durch die repressive Politik des Ustascha-Regimes gegenüber politischen Gegnern sowie durch die Absicht des Regimes, Kroatien von nicht-kroatischen Völkern zu “säubern”. In diesem Zusammenhang wurde die Zusammenarbeit von Kommunisten und serbischen Bauern, die gleich zu Beginn der NDH zur Zielscheibe von ethnischen Säuberungen und Massenverbrechen wurden, zu einem entscheidenden Faktor für die Entwicklung der Partisanenbewegung. In dem vorliegenden Text werden die verschiedenen Motive analysiert, die Bewohner der NDH dazu veranlassten, sich der Partisanenbewegung anzuschließen. Sie reichten von patriotischen und antifaschistischen Gründen über existenzielle Ursachen wie die Notwendigkeit, das eigene Leben zu retten, bis hin zu anderen Motiven wie Rache, Eigeninteresse oder Russophilie.

Comparing Resistance in Yugoslavia with France and Germany. (Den Widerstand in Jugoslawien mit Frankreich und Deutschland vergleichen) | Ein Gespräch mit Robert Gildea und Christl Wickert

Jedes Land im nationalsozialistisch beherrschten Europa befand sich in einer spezifischen Lage und hatte charakteristische Merkmale im Hinblick auf den Widerstand gegen Nationalsozialismus und Faschismus, was gewisse Ähnlichkeiten und Parallelen nicht ausschließt. Im besetzten und zerstückelten Jugoslawien entwickelte sich die kommunistisch geführte Partisanenbewegung zu einer massiven Widerstands- und Befreiungskraft gegen die deutschen und italienischen Besatzer und ihre Kollaborateure. Wie war die Lage in Frankreich, einem anderen besetzten und kollaborierenden Land, und wie verhielt es sich in Nazideutschland, dem Land, das während des Zweiten Weltkriegs große Teile Europas überfiel und besetzte? Um einen Überblick über den Widerstand in Frankreich und in Deutschland zu vermitteln und Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Vergleich zu Jugoslawien und zwischen beiden Ländern besser zu verstehen, erörtern Robert Gildea und Christl Wickert folgende Aspekte im Hinblick auf Frankreich und Deutschland: Der allgemeine Kontext, die Anfänge des Widerstands, Hauptmotivationen für Widerstand, die Rolle der kommunistischen Partei, der Widerstand innerhalb und außerhalb des eigenen Territoriums, Schlüsselmomente für die Entwicklung des Widerstands, Widerstand als multi- und transnationales Phänomen, Frauen im Widerstand, bewaffneter Widerstand, Nachkriegspläne von Widerstandsbewegungen, der Beitrag des Widerstands zur Niederlage Nazideutschlands und Narrative über den Widerstand nach 1945.

Part 1 / Teil 1: Where to Resist? Spaces of Resistance
(Wo wurde Widerstand geleistet? Räume des Widerstands)

The Mountains as a Place of Resistance: The Case of the French Alps (1943-1944) (Berge als Ort des Widerstands: Der Fall der französischen Alpen (1943-1944)) | Yvan Gastaut

Gebirgsregionen spielten eine wichtige Rolle in der Geschichte des Widerstands in Europa während des Zweiten Weltkriegs. Dieser Text konzentriert sich auf die französischen Alpen und untersucht die realen und symbolischen Dimensionen der Berge als Ort des Widerstands. Nachdem das Vichy-Regime 1943 den obligatorischen Arbeitsdienst eingeführt hatte, wurden die Alpen für viele junge Männer zu einem Ort der Desertion und der Zuflucht und bald auch für die Gründung bewaffneter Widerstandsgruppen, der sogenannten maquis.
Two sites in the Alps became emblematic of the French Resistance: Les Glières and Le Vercors, where important
maquis Zwei Orte in den Alpen wurden zum Wahrzeichen der französischen Résistance: Les Glières und Le Vercors. Dort bildeten sich wichtige Maquis, die auch in strategische Überlegungen für die alliierten Kriegsanstrengungen einbezogen wurden, die aber schließlich 1944 von deutschen Truppen und kollaborierenden französischen Kräften zerschlagen wurden. Trotz und wegen dieses tragischen Schicksals wurden beide Orte zu Symbolen des Heldentums und zu wesentlichen Bestandteilen des französischen Résistance-Mythos. Sie trugen auch dazu bei, die Wahrnehmung der Alpen in der französischen Gesellschaft zu verändern, eine Region, die vielen bis zum Krieg unbekannt war und die das Vichy-Regime zu einem Symbol seiner eigenen ideologischen Werte machen wollte. Mit der Gegend um das Dorf Saint-Martin Vésubie in den Südalpen thematisiert der Text auch die Rolle von Bergregionen als Orte der Zuflucht für verfolgte Juden und der Solidarität von Teilen der lokalen Bevölkerung mit ihnen.

Partisan Movement in Bosnia and Herzegovina During the Second World War: A Comparison of the Towns and the Countryside (Die Partisanenbewegung in Bosnien und Herzegowina während des Zweiten Weltkriegs: Ein Vergleich zwischen Stadt und Land) | Dino Dupanović

Die Widerstandsbewegung der Partisanen in Bosnien und Herzegowina entwickelte sich unterschiedlich in den Städten und auf dem Lande. Die Verbindung von städtischen und ländlichen Gebieten war eine der größten Herausforderungen für die jugoslawischen Partisanen. Um die Rolle der Städte und des ländlichen Raums in Bosnien und Herzegowina für die kommunistisch geführte Partisanenbewegung während des Zweiten Weltkriegs zu verstehen, geht der Text auf folgende Fragen ein: Welchen Einfluss hatten die Kommunisten in den Städten und Dörfern in Bosnien und Herzegowina vor dem Zweiten Weltkrieg? Was war der Grund für die Kluft zwischen den Kommunisten in den Städten und den Partisanen oder Kommunisten auf dem Land, als der Aufstand 1941 begann? Welche Unterschiede gab es hinsichtlich der Widerstandsaktivitäten der Kommunisten in den Städten und auf dem Lande? Ab wann lässt sich eine klare Synergie der Aktionen aller Kommunisten erkennen, unabhängig davon, ob sie sich in den Städten oder an der Peripherie befanden, in abgelegenen bosnischen Bergen wie Kozara oder Igman oder den Schluchten von Neretva und Sutjeska oder in städtischen Zentren wie Banja Luka, Mostar, Sarajevo oder Tuzla? Diese Fragen werden am Beispiel der bosnischen Krajina beantwortet, einer Region im Nordwesten Bosniens und Herzegowinas, die zum Zentrum des Befreiungskampfes der Partisanen wurde, und teilweise anhand von Beispielen in anderen Regionen Bosniens und Herzegowinas.

Resistance with Words and Weapons: Michał Borwicz and the Resistance in the Lemberg-Janowska Camp (Widerstand mit Worten und Waffen: Michał Borwicz und der Widerstand im Lager Lemberg-Janowska) | Markus Roth

Die bahnbrechende Studie über den Widerstand in den Konzentrationslagern von Hermann Langbein, einem ehemaligen Häftling in Dachau und Auschwitz, geht von einem weit gefassten Widerstandsbegriff aus. Da die Menschen in den Lagern psychisch und physisch vernichtet werden sollten, waren Handlungen, welche die Moral der KZ-Häftlinge hoben, laut Langbein bereits als Widerstandshandlungen zu verstehen. Michał Borwiczs Handlungen innerhalb und außerhalb des Lemberg-Janowska-Lagers sind beispielhaft für eine enge Verbindung zwischen geistigem und kulturellem Widerstand einerseits und aktivem politisch-bewaffneten Kampf andererseits. Beides ist in der Forschung bisher kaum berücksichtigt worden. Gemeinsam organisierte Borwicz mit anderen geheime Literaturabende im Lager. Zugleich suchte er nach bewaffneten Formen des Widerstands, die unter seinen Kameraden im Lager umstritten waren. Nach seiner erfolgreichen Flucht aus Janowska kämpfte Borwicz als Partisan gegen die nationalsozialistischen Besatzer im südöstlichen Teil des besetzten Polens. Darüber hinaus half er verfolgten Juden, indem er u. a. die Rettung eines jüdischen Mädchens aus dem Lager Janowska organisierte und die Hilfe für ihr Leben mit einer falschen Identität koordinierte. Die Dokumentation solcher Widerstandshandlungen war ein wichtiger Bestandteil von Borwiczs Tätigkeit. Bereits während des Krieges schrieb er eine Abhandlung über die Rolle der Literatur im Lager. Nach dem Krieg setzte er dies fort und widmete der Dokumentation des jüdischen Widerstands besondere Aufmerksamkeit.

“I’ll Take You in the Orchestra Right Now”: Music and Spaces of Resistance in Nazi Camps (“Ich nehme dich sofort im Orchester auf”: Musik und Räume des Widerstands in NS-Lagern) | Élise Petit

Zahlreiche Berichte, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Überlebenden verfasst wurden, erwähnen die Präsenz von Musik in Konzentrationslagern, vor allem als Begleitung der Kommando-Märsche morgens und abends. Viele Berichte erwähnen auch, dass Musik dank ihrer beruhigenden Wirkung Menschen geholfen habe, die schlimmsten Stunden in den Lagern zu überstehen. Auch wenn es kein offizielles Dokument des Dritten Reiches über die Gründung von Orchestern in Konzentrationslagern gibt, so wurden in der überwiegenden Zahl der Lager auf Anweisung der Kommandanten Häftlings-Musikensembles unterschiedlicher Größe gebildet. Die Funktion einer Lagerkapelle bestand in erster Linie darin, die Schritte der Häftlingskommandos zu synchronisieren, um das Zählen der Häftlinge beim morgendlichen und abendlichen Marsch vom Appellplatzzum Lagertor zu erleichtern. Die Lagerkapelle konnte aber auch zur Unterhaltung der SS oder zur Begleitung von Bestrafungen und Exekutionen herangezogen werden. Die Musik diente also hauptsächlich dem nationalsozialistischen System der moralischen und physischen Vernichtung. Von den ersten Tagen der Lagerhaft an schuf die Musik, insbesondere gemeinsames Singen, für einige Häftlinge jedoch auch Räume der Kommunikation und des moralischen oder künstlerischen Widerstands. Dieser Beitrag untersucht, wie musikalische Initiativen sich an bestimmten Orten und in bestimmten Räumen der Lager zu Formen von “Widerstand” entwickeln konnten: als Mittel transgressiven Aufbegehrens gegen das System der nationalsozialistischen Lager, als lebensbejahender Überlebensmechanismus, aber auch als Mittel der moralischen und kulturellen Stärkung.

Part 2 / Teil 2: Fighting on Several Fronts? Women and Resistance
(Kämpfen an mehreren Fronten? Frauen und Widerstand)

A Ring of Invisibility: Wives and the Resistance against National Socialism in Germany (Ein Ring der Unsichtbarkeit: Ehefrauen und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Deutschland) | Juliane Kucharzewski

Die wissenschaftliche Forschung über den so genannten (Kreisauer Kreis) und seine Widerstandsaktivitäten konzentrierte sich überwiegend auf die männlichen Akteure, obwohl diese Ehefrauen hatten, die entweder persönlich daran beteiligt oder in alle Vorgänge eingeweiht waren. Später wurden diese Frauen nur als Quellen für die Taten ihrer Ehemänner benutzt, während ihr eigener potenzieller Beitrag von den Hinterlassenschaften ihrer Männer überschattet und ihnen selbst lediglich eine Nebenrolle zugebilligt wurde. Der vorliegende Artikel will diese Forschungslücke schließen. Die Ehefrauen bildeten von Anfang an das Rückgrat des Kreisauer Kreis und waren für grundlegende logistische und organisatorische Arbeiten sowie für die Verschleierung aller Aktivitäten unverzichtbar. Darüber hinaus waren sie für die Versorgung der Familie und die Aufrechterhaltung der Alltagsgeschäfte verantwortlich, so dass Widerstandsaktivitäten überhaupt erst möglich wurden. Sie waren sich der möglichen lebensbedrohlichen Folgen bewusst. Aufgrund ihres eigenen Selbstverständnisses und ihrer primären kulturellen Prägung als Ehefrauen und Mütter führte diese doppelte Position zu einem Rollenkonflikt und zu einem Konflikt mit ihrem eigenen Frauenbild. Diese ihren Beitrag leistenden Ehefrauen sahen sich selbst als Zuhörerinnen, nicht als selbständige Akteurinnen im Widerstand. Die nationalsozialistische Ideologie verstärkte diese Einschätzung noch, da sie ihnen nie vorwarf, Widerstandskämpferinnen zu sein, sondern sie als unwissende Ehefrauen definierte. Die Frauen der so genannten Rote Kapelle, hingegen wurden von der Gestapo verhaftet und hingerichtet. Diese Ungleichheit schmälert weder die Bedeutung noch rechtfertigt sie die langjährige Unsichtbarkeit der Frauen Kreisauer Kreis.

Berty Albrecht and her Role in the French Resistance: An Exceptional Case? (Berty Albrecht und ihre Rolle in der französischen Résistance: Ein außergewöhnlicher Fall?) | Robert Belot

Berty Albrecht (1893-1943) war die Mitbegründerin und Schlüsselfigur einer der wichtigsten französischen Widerstandsbewegungen, Combat (Kampf). Ihr Engagement endete dramatisch: Nachdem sie von der Gestapo verhaftet und gefoltert worden war, nahm sie sich am 30. Mai 1943 in ihrer Gefängniszelle das Leben, um keine Geheimnisse zu verraten. Dieser Text untersucht Albrechts Weg in den und im französischen Widerstand, indem er ihn mit ihrem Leben vor dem Krieg verbindet. In der Tat lässt sich eine Kontinuität zwischen ihren Entscheidungen in den 1920er und 1930er Jahren, als sie sich für feministische, soziale und internationale Anliegen einsetzte, und ihrem Widerstand gegen die Besetzung Frankreichs durch Nazi-Deutschland und das kollaborierende Vichy-Regime während des Zweiten Weltkriegs erkennen. Bei all dem leitete sie ihre Überzeugung, dass es möglich ist, die Menschheit zu verbessern, und ihr Glaube, dass Europa eines Tages geeint und friedlich sein könnte. Der Text befasst sich auch mit der Entwicklung von Albrechts Platz im kollektiven Gedächtnis Frankreichs, von ihrem Tod bis heute, denn dies ist ein Schlüssel zum besseren Verständnis ihrer historischen Bedeutung und ist auch bezeichnend dafür, wie Frauen als Akteurinnen der französischen Geschichte wahrgenommen wurden. Allgemein geht es in dem Text um die Frage, ob Albrechts Geschichte als exemplarisch oder außergewöhnlich für die Rolle der Frauen im französischen Widerstand angesehen werden kann.

Women in the Partisan Movement from the Territory of the Independent State of Croatia: Quantitative Analysis of the Regional, National, Urban, Age, and Professional Structure of Losses (Frauen in der Partisanenbewegung auf dem Territorium des Unabhängigen Staates Kroatien: Quantitative Analyse der regionalen, nationalen, städtischen, altersmäßigen und beruflichen Struktur der Verluste) | Dragan Cvetković

Auf der Grundlage der teilweise überarbeiteten Liste der „Kriegsopfer 1941-1945“ aus dem sozialistischen Jugoslawien präsentiert dieser Text eine statistische Analyse der Verluste der weiblichen Mitglieder der Partisanenbewegung auf dem Gebiet des Unabhängigen Staates Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska Hrvatska – NDH). In dem äußerst komplexen Krieg, der auf dem Gebiet der NDH geführt wurde, machten Frauen 7,63 % der Verluste der Partisanenbewegung aus. Frauen waren vor allem im Hintergrund aktiv, aber auch in militärischen Einheiten, und starben während des gesamten Krieges, wobei die Hälfte der Verluste im Jahr 1943 zu beklagen war, dem mörderischsten Jahr für die Partisanen auf dem Gebiet der NDH. In diesem Jahr erreichte der Anteil der Frauen unter allen getöteten Partisanen 11,66 %. Die meisten Partisaninnen kamen aus der bosnischen Krajina, Banija, Kordun und Lika. In der Bewegung waren Frauen aller Nationalitäten vertreten, wobei 80,77 % der Verluste auf serbische Frauen, 14,34 % auf kroatische Frauen und 2,45 % auf muslimische Frauen entfielen. Serbische Frauen, die in der NDH von der Vernichtung bedroht waren, beteiligten sich massiv am Kampf und machten 9,16 % der Verluste der Partisanen innerhalb ihrer nationalen (serbischen) Gruppe aus. Kroatische Frauen hatten einen Anteil von 4,73 % und muslimische Frauen einen Anteil von 2,72 % an den Gesamtverlusten der Partisanen innerhalb ihrer nationalen Gruppe. Über 90 % der getöteten serbischen Partisaninnen stammten aus ländlichen Gebieten und Siedlungen mit weniger als 10.000 Einwohnern. Sie gehörten allen Altersgruppen an, und die meisten von ihnen waren nicht berufstätig. Andererseits stammte ein höherer Teil der getöteten kroatischen und muslimischen Partisaninnen aus größeren Städten, meist im Alter von 15 bis 24 Jahren, und unter ihnen befand sich ein signifikanter Anteil gebildeter Personen.

Both Woman and Partisan: Emancipation and Partisans Movement in Syrmia (1941-1944) (Frau und Partisanin: Emanzipation und Partisanenbewegung in Syrmien (1941-1944)) | Aleksandar Horvat

Ziel des Artikels ist es, den Emanzipationsprozess der Kämpferinnen der jugoslawischen Partisanenbewegung darzustellen, der sich in einem kurzen Zeitraum und in einem sehr hohen Tempo vollzog. Zu diesem Zweck analysiert der Artikel Dokumente, die Partisanenpresse und die Erinnerungen von Teilnehmerinnen der Volksbefreiungsbewegung der Region Syrmien (Srem). Es handelte sich um eine traditionelle bäuerliche Gesellschaft, die zu dieser Zeit von den üblichen Vorurteilen gegenüber Frauen und ihren Fähigkeiten, insbesondere im bewaffneten Kampf, geprägt war. Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag die Entwicklung und Überwindung der patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen durch die Partisanenbewegung als grundlegenden Rahmen des Emanzipationsprozesses. Anhand von Einzelbeispielen wird die emanzipatorische Rolle der Volksbefreiungsbewegung und der Entwicklungsprozess der Frauen von der treuen Gefährtin ihres Mannes ohne klare ideologische und politische Position zu einer selbstbewussten, die Gleichberechtigung mit dem Mann fordernden Partisanin herausgearbeitet. Analysiert werden auch die verschiedenen Probleme, mit denen sich Partisaninnen konfrontiert sahen, zum Beispiel die Weigerung von Männern, ihnen das Tragen von Waffen oder die Leitung von Partisaneneinheiten zu gestatten, die Haltung der Eltern ‒ insbesondere von Vätern ‒ gegenüber ihren Kampfeinsätzen, aber auch psychischer und physischer Missbrauch von Frauen durch Kämpfer oder ihre Ehemänner. Der Artikel geht auch auf die Rolle der 1942 gegründeten „Antifaschistischen Frauenfront“ und der illegalen Presse im Prozess der emanzipatorischen Bewusstseinsbildung der kämpfenden Frauen ein.

Part 3 / Teil 3: “Grey Zones” of Resistance and Collaboration
(“Grauzonen” des Widerstands und der Kollaboration)

SS-Men Against Nazism? The Controversial Case of the Mutiny in Villefranche-de-Rouergue (17 September 1943) (SS-Männer gegen den Nationalsozialismus? Der umstrittene Fall der Meuterei in Villefranche-de-Rouergue (17. September 1943)) | Xavier Bougarel

Die 13. SS-Division, bekannt als Handschar-Division, wurde im Februar 1943 im Unabhängigen Staat Kroatien gegründet. Sie setzte sich mehrheitlich aus bosnisch-muslimischen Soldaten und deutschen Offizieren zusammen. Diese Division wurde im Juli 1943 zur Ausbildung nach Frankreich geschickt und kehrte im März 1944 nach Bosnien-Herzegowina zurück, wo sie mit großer Brutalität gegen die jugoslawischen Partisanen kämpfte. Das Ereignis, das in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Frankreich am meisten Aufmerksamkeit erregt hat, ist jedoch die Meuterei ihres Pionierbataillons am 17. September 1943 in Villefranche-de-Rouergue in Südfrankreich.

Die Erinnerung an dieses Ereignis hat sich zwischen 1943 und heute stark gewandelt, insbesondere in den 1990er Jahren, nach dem Zerfall der jugoslawischen Föderation. Viele Fragen wurden aufgeworfen. Handelte es sich bei den Meuterern um Jugoslawen, Kroaten oder Bosniaken? Waren ihre Motive antifaschistisch, nationalistisch oder unpolitisch?

Hatten sie Verbindungen zur französischen Résistance? Der Text versucht, diese Fragen zu beantworten, wobei deutlich wird, wie schwierig es ist, den genauen Verlauf der Meuterei, die Motive der Meuterer und ihre tatsächlichen oder angeblichen Verbindungen zur französischen Résistance zu rekonstruieren. In diesem Zusammenhang haben Historiker und Journalisten oft auf verschiedene Verschwörungstheorien zurückgegriffen. Die Meuterei von Villefranche wurde so zum Gegenstand von Spekulationen und Mystifikationen aller Art, doch das Fehlen unbestreitbarer Beweise sollte zu größter Vorsicht mahnen.

Soviet Prisoners of War between Collaboration and Resistance. The Stalag III D Berlin 1941-1945 as a Case Study of the “Grey Zone” (Sowjetische Kriegsgefangene zwischen Kollaboration und Widerstand. Das Stalag III D Berlin 1941-1945 als Fallbeispiel für die “Grauzone”) | Kolja Buchmeier

Die Fallstudie untersucht verschiedene Formen widerständigen Verhaltens und von Kollaboration sowjetischer Kriegsgefangener in Berlin während des Zweiten Weltkriegs anhand einer systematischen Auswertung von Personalkartenund Selbstzeugnissen. Die Inhaftierung und der Zwangsarbeitseinsatz sowjetischer Soldaten in deutscher Gefangenschaft sind bereits eingehend untersucht worden. Weniger erforscht hingegen sind die individuellen und kollektiven Erfahrungen der Kriegsgefangenen, die sich zum Teil mehrere Jahre lang in einer existenziellen Zwangslage befanden. Wie haben diese Menschen ihre Gefangenschaft erlebt? Welche Strategien verfolgten sie, um ihre Situation zu verbessern?

Und welchen Handlungsspielraum hatten sie? Nach einleitenden Bemerkungen zur Geschichte und den Besonderheiten des Stalag III D und des Arbeitseinsatzes sowjetischer Kriegsgefangener in Berlin werden in diesem Beitrag die Handlungsspielräume der Häftlinge anhand verschiedener Aktenstudien untersucht. Der Text unterstreicht die Bedeutung, Grauzonen, Widersprüche und fließenden Übergänge zwischen kollaborativem und widerständigem Verhalten zu erforschen. Was auf den ersten Blick als Kollaboration erscheint, war nicht immer ideologisch motiviert, und in vielen Fällen sogar mit Widerstand verbunden.

From Resistance to Collaboration: The Evolution of the Chetnik Movement in Serbia During 1941 (Vom Widerstand zur Kollaboration: Die Entwicklung der Tschetnik-Bewegung in Serbien im Jahr 1941) | Milivoj Bešlin

Der Beitrag befasst sich mit der Entwicklung der Tschetnik-Bewegung im besetzten Serbien im Jahr 1941. Die Tschetniks von Draža Mihailović, die im Mai 1941 als Anti-Besatzungsbewegung gegründet wurden, beteiligten sich im Sommer des ersten Kriegsjahres an der Befreiung eines großen Gebiets in Westserbien von der deutschen Besatzung. In dem freien Territorium, das später “Republik Užice” genannt wurde, arbeiteten die Tschetniks im Sommer und Herbst 1941 mit der antifaschistischen Partisanenbewegung unter Führung der Kommunistischen Partei Jugoslawiens zusammen. Das Erstarken der Partisanen und ihr entschlossener Kampf gegen die Besatzungstruppen dämpften jedoch den Befreiungseifer der Führung der Tschetnik-Bewegung. Auf dessen Kosten gewann der antikommunistische Teil der nationalistisch-royalistischen Tschetnik-Ideologie die Oberhand.
Im Sommer 1941 schickte Mihailović erste Emissäre zu den deutschen Besatzern, am letzten Oktobertag ordnete er einen Generalangriff auf Partisanenstellungen in den befreiten Territorien Westserbiens an, und am 11. November kam es zu direkten Verhandlungen zwischen der Tschetnik-Führung und den Wehrmachtstruppen. Bei dem Treffen im Dorf Divci boten die Tschetniks den Deutschen eine militärische Zusammenarbeit an, um die Partisanenbewegung zu zerschlagen. Am Ende des ersten Kriegsjahres hatte die von Mihailović geführte Tschetnik-Bewegung entscheidende Schritte unternommen, um sich von einer besatzungsfeindlichen in eine kollaborative Kraft zu verwandeln.

Between Legalism and Convictions. The Langres’ Section of Gendarmerie and the Resistance in 1944 (Zwischen Legalismus und Überzeugung. Die Gendarmerie-Abteilung von Langres und die Résistance im Jahr 1944) | Marius Hutinet

Anhand einer Abteilung der französischen Gendarmerie in der nordostfranzösischen Stadt Langres untersucht dieser Text die Besonderheiten dieses staatlichen Organs zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung vor und während des Zweiten Weltkriegs und seine komplexe Rolle während der deutschen Besatzung. Zunächst geht der Artikel auf den allgemeinen Kontext ein, in dem die Gendarmen der Sektion Langres handelten. Anschließend wird nicht nur die Situation der Gendarmerie während der Okkupation beschrieben, sondern auch ihr beruflicher Habitus und dessen Einfluss auf ihre streng strukturierte Existenz. Das Ziel dieser Arbeit ist es nicht, das Verhalten des Personals von Langres als repräsentativ für die Gesamtheit des Verhaltens der französischen Gendarmerie darzustellen. Es geht vielmehr darum, einen Schlüssel zum Verständnis dessen zu liefern, was es für diese Männer bedeutete, sich am Vorabend der Befreiung an der Résistance in Frankreich zu beteiligen oder nicht. Der Text unterscheidet verschiedene Ebenen der Beteiligung am Widerstand, und konkrete Beispiele verdeutlichen die Vielfalt der Profile und Überzeugungen der Gendarmen.

Zuletzt will der Text auch zur kritischen Reflexion über das Konzept der “Grauzone” und dessen Verwendung zur Beschreibung von Akteuren zwischen Kollaboration und Widerstand beitragen.

Part 4 / Teil 4: A Transnational European Space of Resistance? Crossborder Trajectories of Resistance
(Ein transnationaler europäischer Raum des Widerstands? Grenzüberschreitende Lebensbahnen des Widerstands)

Brigadistas, Maquis, Partisans: Yugoslav Veterans of the Spanish Civil War in European Resistance Movements (Brigadistas, Maquis, Partisanen: Jugoslawische Veteranen des Spanischen Bürgerkriegs in europäischen Widerstandsbewegungen) | Vladan Vukliš

Über 1.800 Jugoslawen und Bürger des Königreichs Jugoslawien nahmen am Spanischen Bürgerkrieg teil, meist in den Reihen der Internationalen Brigaden. Nach dem Fall des republikanischen Kataloniens und der Zweiten Spanischen Republik wurden etwa 450 der Überlebenden, denen inzwischen die jugoslawische Staatsbürgerschaft aberkannt worden war, in Internierungslagern in Südfrankreich untergebracht, während die übrigen sich nach Nordamerika, in die Sowjetunion und in andere Länder begaben. Nachdem 1939 der Zweite Weltkrieg begonnen hatte, bereiteten sich die jugoslawischen “Spanier” auf die zweite Hälfte ihrer antifaschistischen Kampagne vor. Nachdem sie die französischen Lager erfolgreich in geheime kommunistische Parteischulen umgewandelt hatten, richteten sie Fluchtwege in ihre Heimat ein. Mehr als 250 von ihnen gelang es, nach Jugoslawien zurückzukehren, das 1941 von den Achsenmächten besetzt worden war und wo sie zum Rückgrat der Partisanenarmee unter Josip Broz Tito wurden. Etwa 60 von ihnen, die in Frankreich blieben, beteiligten sich zusammen mit 500 anderen Landsleuten am französischen Widerstand. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über ihre Aktivitäten nach der Flucht aus den Internierungslagern und stellt ihre Rolle in den Widerstandsbewegungen im besetzten Jugoslawien und in Frankreich vergleichend dar.

Raymond Schmittlein and Irène Giron: Two Crossed Trajectories in the French Resistance (Raymond Schmittlein und Irène Giron: Zwei sich kreuzende Lebenswege in der französischen Résistance) | Corine Defrance

Irène Giron (1910-1988) und Raymond Schmittlein (1904-1974) lernten sich im November 1943 im Commissariat français de la Libération nationale in Algier kennen. Die Lebenswege beider kreuzten sich innerhalb der Widerstandsbewegung Combat, der wichtigsten Unterstützungsorganisation für General Charles de Gaulle in Nordafrika. Acht Jahre lang, bis 1951, arbeiteten sie gemeinsam in der Résistance und nach Kriegsende in der französischen Besatzungsregierung in Deutschland. Dort waren beide für das Bildungswesen zuständig, Schmittlein als Direktor, Giron als stellvertretende Direktorin, bis sie beide 1951 nach Frankreich zurückkehrten. Neben der Verbindung zwischen der Résistance und der französischen Besatzung Deutschlands gibt es viele weitere Gemeinsamkeiten in ihren Biografien: Beide verbrachten ihre Kindheit in binationalen Familien, beide hatten deutsche Wurzeln, sprachen Deutsch und verfügten über ausgezeichnete Kenntnisse des Landes, beide gründeten gemischte Familien, jeweils mit einem Partner/einer Partnerin einer anderen Nationalität als ihrer eigenen, und vor allem waren sich Schmittlein und Giron sehr früh des antisemitischen und expansionistischen Charakters des NS-Regimes bewusst und brachten ihre Ablehnung der nationalsozialistischen Vereinnahmung Europas klar zum Ausdruck. Wie beeinflussten diese Faktoren ihr unmittelbares Engagement im Widerstand und ihren Lebensweg als Widerstandskämpfer? Der Text untersucht den Einfluss transnationaler Familien (1) und den früher Erfahrungen mit Nazideutschland (2) auf die Entscheidung, sich dem Widerstand anzuschließen und die Formen des Widerstands (3) sowie auf die Bereitschaft, an der Besetzung Deutschlands teilzunehmen, um zu seiner Demokratisierung beizutragen (4). Ihrem doppelten Engagement gegen das Nazi- und Vichy-Regime einerseits und für die demokratische Erneuerung Frankreichs und Deutschlands andererseits lag eine Analysefähigkeit zu Grunde, die über den nationalen Rahmen hinausging. Für Schmittlein wie für Giron waren der Nationalsozialismus und das Vichy-Regime Teil der gleichen transnationalen faschistischen Bewegung. Der Widerstand wurde somit zu einem transnationalen Akt. Ihre Mission endete nicht mit dem Sieg über den Faschismus, sondern sie ging mit dem Engagement für die Demokratisierung weiter, vor allem um der deutschen Jugend eine Zukunft zu bieten.

Yugoslav Prisoners of War from Camp No. 43 in Northwestern Italy: Civil Solidarity, Armed Resistance and Post-war Legacies (Jugoslawische Kriegsgefangene aus dem Lager Nr. 43 in Nordwestitalien: Zivile Solidarität, bewaffneter Widerstand und Nachkriegserbe) | Alfredo Sasso

Das italienische Gefangenenlager Nr. 43 für jugoslawische Kriegsgefangene in Garessio in den Seealpen im südlichen Piemont dient in diesem Artikel als Fallbeispiel für die Untersuchung der Verbindungen zwischen ziviler Solidarität und bewaffnetem Widerstand und des Vermächtnisses dieser Aspekte nach 1945. Zunächst kontextualisiert der Text die Internierung der Jugoslawen in Italien während des Zweiten Weltkriegs und ihre anschließende Auslöschung aus dem kollektiven Gedächtnis der Nachkriegszeit. Dann folgt ein Überblick über Aspekte der zivilen Solidarität und der Beteiligung von Jugoslawen am italienischen Widerstand, wobei dem wenig untersuchten Thema der jugoslawischen Kriegsgefangenen und seine Auswirkungen auf beide Phänomene besondere Beachtung geschenkt wird. Die Fallstudie gliedert sich in vier Abschnitte, die unterschiedliche Phasen der Lagergeschichte beleuchten: Internierung, Flucht, Partisanenkampf und Nachkriegszeit. Der Artikel zeigt, dass es eine Kontinuität zwischen zivilem und bewaffnetem Widerstand gab, wenn auch nicht immer auf lineare und direkte Weise. Ferner wird untersucht, wie die Beteiligung der ehemaligen Kriegsgefangenen am Partisanenkampf zu ideologisch unterschiedlichen Zugehörigkeiten führte. Schließlich zeigt die Analyse der Nachkriegsrezeption, wie trotz geographischer Entfernung und geopolitischer Hindernisse die mit dem Lager verbundenen Erinnerungen und Beziehungen durch vielfältige Interaktionen wieder auflebten ; diese Interaktionen umfassten sowohl spontane und institutionelle als auch lokale und (trans-)nationale Elemente. Methodisch stützt sich die Untersuchung auf Tagebücher, Briefe, Korrespondenzen und Zeugenaussagen ehemaliger Häftlinge des Lagers 43, Dokumente aus lokalen Archiven und Instituten für Widerstand und Zeitgeschichte sowie Interviews mit Familienangehörigen ehemaliger Häftlinge und Helfer.

From a Zionist Dream to a Transnational Rescue Network for Jewish Children: Youth Aliyah, 1932/3-1945 (Vom zionistischen Traum zu einem transnationalen Rettungsnetzwerk für jüdische Kinder: Jugend-Aliyah, 1932/3-1945) | Susanne Urban

1933 gründete die deutsch-jüdische Zionistin und Pädagogin Recha Freier in Berlin das “Hilfskomitee für jüdische Jugendliche”, das die Basis für die “Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugend-Aliyah”

bildete. Die Jugend-Aliyah wurde nach den Pogromen im November 1938 organisiert. Im Unterschied zu den Kindertransporten nach Großbritannien und in die USA, eine in erster Linie humanitäre Rettungsaktion, handelte es sich bei Jugend-Aliyah um eine programmatische, linkszionistische Bewegung, obwohl sie spätestens ab November 1938 immer mehr wie ein übergreifendes Rettungsnetzwerk funktionierte, in Kooperation mit Organisationen in vielen anderen europäischen Ländern, mit dem Ziel, jüdische Kinder zu retten und nach Palästina zu bringen.

Diese Geschichte des Widerstands gegen die nationalsozialistische Verfolgung und die Shoah ist einzigartig. Ziel war es, eine besonders gefährdete Gruppe zu retten, Kinder und Jugendliche, indem sie nach Palästina gebracht wurden, dabei eng miteinander verbundene Gruppen aufzubauen und bei ihnen einen neuen Stolz auf ihr Judentum zu entwickeln.

Die Jugend-Aliyah hörte 1945 nicht mit ihrer Arbeit auf, sondern verstärkte ihre Bemühungen um die Waisen der Shoah, indem sie Tausende von ihnen nach Palästina und dann nach Israel brachte und sich bis heute für gefährdete Kinder einsetzt.

Der Artikel beleuchtet die Abläufe und die organisatorischen Grundlagen der Jugend-Aliyah, die beteiligten Personen, die Motive, Erfolge und Misserfolge und zeigt anhand des Schicksals der in Jugoslawien gestrandeten Gruppen, wie diese transnationale Organisation unter schwierigen Umständen funktionierte.

The Partisan Resistance Goes Global: Yugoslav Veterans and Decolonisation (Globaler Partisanenwiderstand: Jugoslawische Veteranen und die Dekolonisierung) | Jelena Đureinović

Während des algerischen Unabhängigkeitskrieges (1954-1962) ließ Jugoslawien der Nationalen Befreiungsfront (Front de libération nationale – FLN) erhebliche diplomatische, finanzielle, militärische und humanitäre Unterstützung zukommen. Von zentraler Bedeutung für diese Initiativen waren die Erinnerung, das Erbe und die Veteranen des jugoslawischen Volksbefreiungskrieges. In diesem Kapitel wird das Nachleben des Partisanen-Widerstands aus dem Zweiten Weltkrieg untersucht, wobei die Rolle des Volksbefreiungskriegs im Kontext der jugoslawischen Blockfreiheit und der Dekolonisierung beleuchtet wird und der Schwerpunkt auf der Rolle der Veteranen – der Partisanen – und ihrer Beziehung zu den antikolonialen Befreiungsbewegungen liegt. Im Mittelpunkt des Kapitels stehen die Narrative über den gemeinsamen Befreiungskampf und die gemeinsame jugoslawische Erfahrung mit dem Volksbefreiungskrieg und dem Aufbau des Staatssozialismus in der postkolonialen Welt, mit einem besonderen Augenmerk auf die medizinische Hilfe für die FLN. Der Fokus auf die Partisanen erklärt sich durch ihre wichtige Rolle als politische Akteure im sozialistischen Jugoslawien, als führende Vertreter der Kriegserinnerungskultur und als Frauen und Männer mit direkter Erfahrung von Krieg und Revolution. Ihr Wirken im Kontext der Entkolonialisierung artikulierte sich zum einen in der Veteranenvereinigung SUBNOR als gesellschaftspolitische Organisation, die an allen Solidaritätsinitiativen beteiligt war, und zum anderen durch Einzelpersonen, die als Partisanen führende Positionen in staatlichen Institutionen, Botschaften und anderen gesellschaftspolitischen Organisationen einnahmen. Die jugoslawischen Beziehungen zu Algerien und der FLN dienen als Fallstudie zur Veranschaulichung der miteinander verbundenen Geschichten von Antifaschismus und Antikolonialismus.

Part 5 / Teil 5: How to Transmit? Resistance as Object of Conservation,
Documentation, Education and Policy-Making
(Wie übermitteln? Widerstand als Gegenstand
der Bewahrung, Dokumentation, Bildung und Politikgestaltung)

Resistance Told by Resistors: The Digitised Collection of Reports of Former Prisoners of the Buchenwald Concentration Camp (Widerstand, erzählt von Widerständlern: Die digitalisierte Sammlung von Berichten ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald) | Robert Parzer

Dieser Artikel befasst sich mit der digitalisierten Sammlung von Berichten ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald. Er untersucht, wie der Begriff des Widerstands von den Überlebenden benutzt wurde und unterstreicht die Bedeutung der Digitalisierung für die historische Forschung. Die Gedenkstätte Buchenwald betreibt die Digitalisierung ihres Archivs seit 1994. Im Jahr 2021 startete sie ein bemerkenswertes Projekt zur Verbesserung der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von historischen Dokumenten. Die erste digitalisierte Sammlung umfasst 1.146 Berichte von Überlebenden mit insgesamt 19.456 Seiten. Diese Berichte, bei denen es sich oft um maschinengeschriebene, durch verschiedene Dokumente ergänzte Erklärungen handelt, wurden ursprünglich für eine Veröffentlichung aus dem Jahr 1960 von einem Komitee ehemaliger Häftlinge zusammengestellt, um den antifaschistischen Widerstand zu dokumentieren. Der Beitrag untersucht den in diesen Berichten artikulierten Narrativ des Widerstands und der Selbstbefreiung und der prominente Rolle kommunistischer Häftlinge bei der Organisation des Widerstands. Der Artikel schließt mit einem Hinweis auf das Potenzial von Digitalisierung im Bereich Geisteswissenschaften, um das historische Verständnis und die Zugänglichkeit von Archivmaterial zu verbessern.

Footprints of Resistance: Material Culture and Memory of the People’s Liberation Struggle in Socialist Yugoslavia (Fußspuren des Widerstands: Materielle Kultur und Erinnerung an den Volksbefreiungskampf im sozialistischen Jugoslawien) | Sanja Horvatinčić

Die Erinnerung an den Widerstand und den Kampf gegen den Faschismus wurde im sozialistischen Jugoslawien nicht nur durch skulpturale oder architektonische Gedenkprojekte und deren ästhetisches oder visuelles narratives Potenzial mobilisiert, sondern auch durch materielle Spuren und Überreste, die gleichzeitig als objektives, dokumentarisches und affektives Mittel zur Übermittlung der Erinnerung dienten. Der Artikel untersucht die Art und Weise, wie die Erinnerung an den Widerstand durch die Materialität von Objekten und Stätten aus der Kriegszeit vermittelt wurde, und unterstreicht die zentrale Bedeutung der materiellen Kultur für zeitgenössische kritische Studien über die Praktiken der Denkmalpflege im sozialistischen Jugoslawien.

Das Kapitel verweist dabei auf die terminologische Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Begriff “Widerstand” und dem spezifischeren Begriff “Volksbefreiungskampf” (Narodnooslobodilačka borba – NOB), die wichtig ist, um die Entwicklungen im Umgang mit dem materiellen Erbe im postjugoslawischen Raum besser zu verstehen. Das Thema der Materialität von Krieg und Revolution wird in dem Text in die breitere jugoslawische Kultur- und Erinnerungspolitik eingebettet. Der Erinnerungstransfer durch materielle Spuren des Widerstands wird auf zwei Ebenen analysiert: (1) Wie Restauratoren und Künstlern/Architekten mit der “Authentizität” jugoslawischer Widerstandsorte umgingen ‒ mit Schwerpunkt auf den Partisanen-Lazaretten als einem zentralen Topos des Widerstands ‒ und wie traditionelle Denkmäler als Brücke zwischen den Besuchern und der Materialität vor Ortneu gedacht wurde ; (2) wie die materiellen Überreste des Krieges aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst und in künstlerischen Werken in den Museen der NOB oder Gedenkstätten wiederverwendet wurden. Schließlich befasst sich das Kapitel mit den Herausforderungen im Zusammenhang mit der sich verändernden Bedeutung der materiellen Kultur des Widerstands in verschiedenen postjugoslawischen, postsozialistischen Kontexten.

The Making of Resistance Heroes: Examples from France (Die Schaffung von Widerstandshelden: Beispiele aus Frankreich) | Matthias Waechter

Der Aufsatz untersucht Prozesse der Schaffung von Widerstandshelden und will damit einen Beitrag zur Erforschung politischer Mythenbildung im Zusammenhang mit dem Widerstand im Zweiten Weltkrieg leisten. Die Geschichte des französischen Widerstands liefert zahlreiche Beispiele für die Entstehung von Widerstandshelden. Um General de Gaulle entwickelte sich bereits während des Krieges ein Heldenkult, so dass er bei seiner Rückkehr auf französischen Boden 1944 von der Bevölkerung als lebender Mythos begrüßt wurde. Andere hingegen wurden erst einige Zeit nach Kriegsende zu Helden gemacht. Die Helden des Widerstands stehen dabei oft für verschiedene politische Richtungen und Strategien der französischen Widerstandsbewegung, wobei jede politische Strömung ihre eigenen mythischen Figuren ehrt. Als Beispiel für die Mythenbildung der französischen Kommunisten wird in diesem Essay der Fall des Colonel Fabien untersucht. Ein drittes Beispiel stellt Jean Moulin dar: Als die französische Regierung 1964 beschloss, seine Asche ins Pantheon zu überführen, sollte ein Heldenmythos geschaffen werden, der eindeutig mit dem Gaullismus verbunden, doch zugleich für alle politischen Strömungen akzeptabel war.

Approaches to Reading the Competing Narratives of World War II Resistance in Schools in Bosnia and Herzegovina (Herangehensweisen an die miteinander konkurrierenden Widerstands-Narrative des Zweiten Weltkrieg in Schulen in Bosnien und Herzegowina) | Mirna Jančić Doyle

Dieser Beitrag befasst sich mit der Vermittlung konkurrierender offizieller Interpretationen des lokalen Widerstands gegen den Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg in Grundschulen in Bosnien und Herzegowina (BiH). Während des Krieges in den 1990er Jahren spaltete sich die ehemals gemeinsame offizielle Geschichtsinterpretation in Bosnien und Herzegowina unter der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in drei konkurrierende Narrative auf. Jede der Kriegsparteien beanspruchte eine eigene historische Perspektive auf die Rolle ihrer nationalen Gruppe und anderer Gruppen während des Zweiten Weltkriegs. Diese parallelen, einseitigen Interpretationen des Widerstands während des Zweiten Weltkriegs spiegeln bis heute die politischen Gräben im Land wider und tragen zu ihrer Vertiefung bei ; in ihrer einfachsten Form werden sie über die in den Schulen verwendeten Geschichtsbücher an die Kinder weitergegeben. Je nach nationaler Zugehörigkeit lernen die Kinder eine andere Version des lokalen Widerstands kennen, was durch die getrennten Bildungsprogramme in BiH ermöglicht wird.

Dieser Text stützt sich auf bereits existierende Forschungsarbeiten sowie die eigene Untersuchung von Schulbüchern durch die Autorin. Er fasst die wichtigsten Punkte der divergierenden Narrative über den Widerstand im Zweiten Weltkrieg seit der sozialistischen Ära zusammen, die in den Geschichtsbüchern für die letzte Klasse der Grundschule in BiH artikuliert werden. Dabei wird auch auf aktuelle Forschungsdiskussionen über die neuen Schulbücher eingegangen sowie alternative Ansätze untersucht, um Geschichtsbücher selbst als Teil eines historischen und kulturellen Archivs zu lesen.

The Participation of Roma in the Yugoslav Partisan Movement as an Argument for their Recognition as a National Minority in Socialist Yugoslavia (Die Beteiligung von Roma an der jugoslawischen Partisanenbewegung als Argument für ihre Anerkennung als nationale Minderheit im sozialistischen Jugoslawien) | Danijel Vojak

Die Geschichte der Roma in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien ist weiterhin nicht ausreichend erforscht. Einer der wenig erforschten Aspekte der Leidensgeschichte der Roma im Zweiten Weltkrieg ist ihre Beteiligung an der von Josip Broz Tito geführten antifaschistischen Partisanen-Widerstandsbewegung auf dem Gebiet des besetzten Königreichs Jugoslawien. Einige Roma schlossen sich Partisaneneinheiten an, nachdem sie der Deportation in Lager entkommen waren, oder wurden Partisanenkämpfer, nachdem sie aus den Lagern geflohen waren, in denen sie inhaftiert und gefoltert wurden und viele ihrer Familienmitglieder getötet wurden. Einige Roma zeichneten sich durch ihren Mut im Kampf gegen die nationalsozialistischen Besatzungsbehörden und deren verbündete Regime aus. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, wie die Nachkriegsbehörden im sozialistischen Jugoslawien mit der Beteiligung der Roma an der jugoslawischen antifaschistischen Widerstandsbewegung umgingen, insbesondere in Kroatien, und beantwortet gleichzeitig die Frage, warum dieser Aspekt der Roma-Geschichte in der Öffentlichkeit nur unzureichend bekannt war und von den kroatischen und jugoslawischen politischen Behörden nicht genügend gewürdigt wurde. Insbesondere wird die Entwicklung der politischen Roma-Bewegung in Jugoslawien analysiert, die von Slobodan Berberski und anderen Roma-Intellektuellen angeführt wurde ; dabei wird der Frage nachgegangen, wie sie sich für eine breitere gesellschaftliche und politische Anerkennung der Beteiligung der Roma an der Partisanenbewegung in Jugoslawien einsetzten. In den 1970er Jahren war genau dieser Aspekt eines der Hauptargumente bei ihren Versuchen, die Stellung der Roma als nationale Minderheit in Jugoslawien zu regeln.

Part 6 / Teil 6: How to Represent Resistance in Museums?
(Wie lässt sich Widerstand in Museen darstellen?)

Filling a Gap: The “Women in the Resistance against National Socialism” Exhibition of the German Resistance Memorial Center (Eine Lücke schliessen: Die Ausstellung “Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus” der Gedenkstätte Deutscher Widerstand | Dagmar Lieske

Manchmal scheint es, als sei die Geschichte des Nationalsozialismus, die mittlerweile ganze Bücherregale füllt, bereits hinreichend erforscht. Doch es gibt weiterhin bemerkenswerte Lücken. Eine davon betrifft die Rolle der Frauen im Widerstand, die noch nicht systematisch erforscht worden ist. Im Juni 2019 hat der Deutsche Bundestag endlich beschlossen, die Forschung zu diesem Aspekt der NS-Geschichte finanziell zu unterstützen. In der Gedenkstätte Deutscher Widerstand wurde 2020 ein Projekt zu diesem Thema in Angriff genommen.

Der Artikel beschreibt ein Ergebnis dieses Forschungsprojekts, die Ausstellung “Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus” der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Die Ausstellung wird am 10. Juli 2024 eröffnet und zeigt eine facettenreiche Auswahl von 32 Frauen, die sich auf ganz unterschiedliche Weise gegen das NS-Regime engagierten. Der Artikel geht auf zwei Fallbeispiele ein, verbunden mit der Frage, welchen Einfluss Geschlechterfragen auf den Widerstand von Frauen hatten und welche Konsequenzen sie für ihr Verhalten zu tragen hatten. Die Ausstellung betrachtet Frauen dabei nicht als Kollektiv – vielmehr wollen wir den Besuchern einen Einblick in individuelle Biografien und die Handlungsspielräume von Frauen ermöglichen.

Narrating the Glorious Resistance: The Permanent Exhibition of the Museum of the Revolution of Bosnia and Herzegovina (Die Erzählung vom glorreichen Widerstand: Die Dauerausstellung des Museums der Revolution in Bosnien und Herzegowina) | Nedim Pustahija

Im sozialistischen Jugoslawien wurden nach 1945 erhebliche Anstrengungen unternommen, um den von den Partisanen geführten Volksbefreiungskampf (Narodnooslobodilačka borba, NOB) während des Zweiten Weltkriegs institutionell zu gedenken und dadurch eine neue kollektive Erinnerung und Identität zu schaffen. Das Ende 1945 gegründete Museum der Revolution von Bosnien und Herzegowina, dessen Dauerausstellung 1966 eröffnet wurde, spielte bei diesen Bemühungen eine wichtige Rolle. Der vorliegende Text untersucht die thematische und narrative Struktur der Dauerausstellung des Museums, welche die Partisanenbewegung und die Kommunistische Partei Jugoslawiens ( Komunistička Partija Jugoslavije ‒ KPJ) als zentrale Elemente des Widerstands gegen den Faschismus darstellte und Themen wie Heldentum und “Brüderlichkeit und Einheit” propagierte. Der Text analysiert die wichtigsten Ausstellungsnarrative, zum einen über die Partisanen, zum anderen über die “Anderen” – die Kollaborateure, und geht dabei auf folgende Fragen ein: Was hat die Ausstellung gezeigt? Wie wurden die zentralen Narrative artikuliert? Was wurde nicht gezeigt, und warum? In der Tat wurde auf die Darstellung einiger Fakten bewusst verzichtet, auch wenn es sich dabei teilweise um Themen handelte, die in der damaligen jugoslawischen Geschichtsschreibung präsent waren. Schließlich erörtert der Artikel externe Kritiken und Rückmeldungen, die während der Planungsphase der Ausstellung formuliert wurden, und die einen Einblick in die Reflexionen erlauben, mit dene sich die damaligen KuratorInnen bei der Entwicklung eines nationalen historischen Narrativs konfrontiert sahen.

Dealing with Yugoslav Resistance during World War II, Then and Now: The Case of the Museum of Yugoslavia (Der Umgang mit dem jugoslawischen Widerstand während des Zweiten Weltkriegs, damals und heute: Der Fall des Museums von Jugoslawien) | Ana Panić and Veselinka Kastratović Ristić

Im Jahr 1996 wurde in Belgrad das Museum für jugoslawische Geschichte gegründet. Es war das Ergebnis der Fusion zweier älterer Einrichtungen: der Gedenkstätte “Josip Broz Tito” und des Museums der Revolution der jugoslawischen Nationen und ethnischen Minderheiten. Die Gründung eines Museums, das einem nicht mehr existierenden Land gewidmet war, nur fünf Jahre nach dessen Zusammenbruch während des blutigsten europäischen Krieges in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, war ein rein politischer Akt. Keineswegs war es das Ergebnis einer durchdachten Kulturpolitik oder des Wunsches nach einer Musealisierung Jugoslawiens und des sozialistischen Erbes. Im Gegenteil, das Erbe musste als etwas Unerwünschtes behandelt werden. In diesem Text werden wir zunächst die Praktiken des Museums der Revolution in Bezug auf das Thema des antifaschistischen Widerstands in Jugoslawien während des Zweiten Weltkriegs analysieren und dann die Veränderungen beobachten, wie dieselben Objekte in der neu gegründeten Institution ‒ die 2016 in Museum Jugoslawiens umbenannt wurde ‒ ausgestellt und interpretiert wurden/werden. Außerdem befasst sich der Text mit dem Kampf der KuratorInnen für eine objektive Darstellung der Fakten, ungeachtet des politischen Kontextes, des mangelnden Interesses der Gründer und eines fehlenden staatlichen und gesellschaftlichen Konsenses über die Geschichte. Das Museum von Jugoslawien, das ein ungewolltes und dissonantes Erbe übernommen hat, öffnete die Sammlungen des Museums, die sich mit dem Kampf gegen den Faschismus befassen, und teilt sie mit Künstlern, Wissenschaftlern, Kuratoren und verschiedenen lokale Gemeinschaften, die sie auf unterschiedliche Weise lesen und interpretieren.

Representing Resistance in Museums: The Case of the Buchenwald Memorial (Die Darstellung von Widerstand in Museen: Der Fall der Gedenkstätte Buchenwald) | Maëlle Lepitre

Dieser Beitrag befasst sich mit der Darstellung des Widerstands gegen Nationalsozialismus in Museen anhand einer Fallstudie über die Gedenkstätte Buchenwald. Das Konzentrationslager Buchenwald (1937-1945) ist berühmt für seine internationale Widerstandsorganisation. Diese 1943 unter der Führung deutscher Kommunisten gegründete Bewegung hatte zum Ziel, den Kampf gegen den Nationalsozialismus hinter Stacheldraht fortzusetzen, und trug unter anderem zur Befreiung Buchenwalds im April 1945 bei. Nach dem Krieg wurde Buchenwald zum Zentrum der antifaschistischen Erinnerungskultur der DDR: Die Geschichte des Widerstands wurde missbraucht, um die DDR als das “gute Deutschland” darzustellen und damit ihre Existenz im Kalten Krieg zu legitimieren. Ein wichtiges Mittel für diese politische Instrumentalisierung war das 1955 eröffnete und zweimal umgestaltete Lagermuseum, das die Geschichte Buchenwalds auf die Geschichte der Widerstandsbewegung reduzierte und die Kommunisten als makellose Helden darstellte. Nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 wurde die politische Nutzung des Widerstands in Buchenwald stark kritisiert, was einen Prozess der Neuorientierung auslöste. 1995 wurde eine neue Ausstellung zur Geschichte des Lagers eröffnet, die ein komplexeres Bild der Widerstandskämpfer im Lager zeichnete. Ziel dieses Beitrags ist es, die Entwicklung der Darstellung des Widerstands in Buchenwald in seinem politischen Kontext zu beschreiben und zu analysieren, wie der Widerstand vor und nach 1989 dargestellt wurde.

Part 7 / Teil 7: (Why) Do We Need Museums about Resistance? Working on Resistance within Changing Sociopolitical Contexts
((Warum) Brauchen wir Museen über Widerstand? Die Auseinandersetzung mit Widerstand im Wandel gesellschaftspolitischer Kontexte)

What Remains from the Museum of the Revolution of the People of Croatia? A Personal Perspective (Was bleibt vom Museum der Revolution des kroatischen Volkes? Eine persönliche Sichtweise) | Nataša Mataušić

In diesem Text präsentiere und analysiere ich die verschiedenen Schritte von der Abschaffung des Museums der Revolution des kroatischen Volkes (Muzej revolucije naroda Hrvatske, MRNH) zur Schaffung des neuen virtuellen Museums des antifaschistischen Kampfes in Zagreb. Ich tue dies aus der Perspektive einer an diesem Prozess beteiligten Person. Tatsächlich habe ich seit 1984 als Kuratorin im MRNH gearbeitet und die Sammlung von Fotografien, Filmen und Negativen betreut und war dann von 1991 bis 2021 im neu gegründeten Kroatischen Geschichtsmuseum tätig. In dem Text gehe ich zuerst auf die Gründung und die Arbeit des MRNH ein, anschließend auf seine Integration in das Kroatische Geschichtsmuseum in den 1990er Jahren und schließlich auf meine Bemühungen um die Einrichtung eines neuen Museums des antifaschistischen Kampfes, das 2022 als virtuelles Museum eröffnet wurde. Bei der Erklärung dieser Prozesse beziehe ich meine persönlichen Erfahrungen über die Jahrzehnte mit ein und lege die Argumente dar, warum meines Erachtens Zagreb wieder ein echtes Museum über den antifaschistischen Kampf in Kroatien während des Zweiten Weltkriegs bekommen muss. Im letzten Teil des Textes erläutere ich, warum meiner Meinung nach der Antifaschismus auch heute noch wichtig ist, nicht nur in Kroatien, sondern auch in Europa.

Art as Resistance and Representation in Museums and Memorials: A Case Study from France (Kunst als Widerstand und Repräsentation in Museen und Gedenkstätten: Eine Fallstudie aus Frankreich) | Marie-Edith Agostini

In den dunkelsten Stunden der nationalsozialistischen Verfolgung erwies sich Kunst als beeindruckendes Instrument des politischen, psychologischen und geistigen Widerstands für diejenigen, die sich ihre Identität wieder aneignen und ihre Erinnerungen weitergeben wollten. Das künstlerische Schaffen ‒ sei es von professionellen Künstlern oder von Amateuren, die ein Medium zur Artikulierung ihrer Stimme suchten ‒ wirkte dem Prozess der Entmenschlichung durch die Unterdrücker entgegen. Im vorliegenden Text spricht Marie-Edith Agostini über drei Ausstellungen, an denen sie in der Pariser Gedenkstätte Memorial de la Shoah mitgewirkt hat und die sich mit der Frage des künstlerischen Widerstands von Verfolgten des Naziregimes befasst haben: “Szenen aus den Ghettos” (2013), “August Sander ‒ Verfolgte/Verfolger, Menschen des 20. Jahrhunderts” (2018); “Der Holocaust und Comics” (2017). Die Ausstellungsmacher mussten sich unter anderem mit folgenden Fragen auseinandersetzen: Was zeigen wir und wie zeigen wir es? Wie erzählen wir die herzzerreißenden Geschichten der Opfer, ohne die Grenze zum Voyeurismus zu überschreiten? Wie können wir die Besucher dazu ermutigen, sich persönlich mit den ausgestellten Themen und Gegenständen auseinanderzusetzen? Der Text unterstreicht die Rolle, die Kunst in Museen und Gedenkstätten spielen kann, um eine schwierige Geschichte auf sensible Weise zu vermitteln, sowie die Bedeutung von Szenografie und Design in diesem Prozess.

Remembering All-Yugoslav Antifascist Resistance through Performative Practices in (front of) the Post-Yugoslav Metamuseums (Die Erinnerung an den gesamtjugoslawischen antifaschistischen Widerstand durch performative Praktiken in/vor den postjugoslawischen Meta-Museen) | Nataša Jagdhuhn

Diese Studie untersucht rituelle Gruppenbesuche in Gedenkstätten, die dem sozialistischen Erbe und der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg im post-sozialistischen Bosnien und Herzegowina (BiH), Kroatien und Serbien gewidmet sind. In der vorhandenen Literatur wird dieses Thema meist im Rahmen der (Jugoslawien-)Nostalgieforschung diskutiert. Im Gegensatz dazu betrachtet die vorliegende Untersuchung diese Besuche als eine mit klaren politischen Botschaften versehene kulturelle Performance. Die Analyse stützt sich auf Interviews mit Vertretern antifaschistischer Vereinigungen und Museumskuratoren, Zeitungsberichte, ethnografische und museologische Literatur, sowie auf persönliche Erfahrungen von Teilnehmenden an diesen Versammlungen, die anlässlich wichtiger historischer Jahrestage organisiert werden. Ziel dieses Kapitels ist es, 1) die konzeptionellen Wurzeln und politischen Motive für die Wiedereinführung dieser “sozialistischen Wallfahrten” in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens aufzuzeigen und 2) die wichtigsten Botschaften zu definieren, die diese musealen Spektakel vermitteln sollen. Die zentrale Frage lautet: Welche Aspekte der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und an das sozialistische Jugoslawien versuchen diese Museums-Gruppenbesuche als kulturelle Darbietungen zu vermitteln? Postjugoslawische (Meta-)Museen haben bis jetzt keinen Weg gefunden, die Geschichte des Zweiten Weltkriegs (und des sozialistischen Jugoslawiens) in einer transnationalen Perspektive darzustellen: In diesem Kontext können und sollten die rituellen Gruppenbesuche in (und vor) Gedenkstätten-Museen als eine Form des Widerstands gegen diese Art von historischer Amnesie und Revisionismus verstanden werden.

Researching and Communicating the Diversity of Resistance since 1967: Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 (Erforschung und Vermittlung der Vielfalt des Widerstands seit 1967: Der Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945) | Thomas Altmeyer

Im Mittelpunkt des Beitrags steht der Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945,.
This association was founded by former resistance fighters, scientists and pedagogues in 1967, in Frankfurt am Main, Germany.
It was established to research and convey the social and political extent of the resistance movement.
The work was also done to give the German resistance more recognition in the post‑war Federal Republic of Germany (FRG).
At the time, the focus was on the resistance of individuals and organisations associated with the labour movement, as it had received little attention in Western Germany.

der 1967 von ehemaligen Widerstandskämpfern, Wissenschaftlern und Pädagogen in Frankfurt am Main gegründet wurde, um das soziale und politische Ausmaß des deutschen Widerstands zu erforschen und zu vermitteln. Ziel des Vereins war es auch, dem deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus in der Bundesrepublik Deutschland der Nachkriegszeit mehr Anerkennung zu verschaffen. Der Schwerpunkt lag zunächst vor allem auf dem Widerstand von Personen und Organisationen der Arbeiterbewegung, da dieser in Westdeutschland damals wenig Beachtung fand. Im Laufe der Jahre wurden eine Bibliothek und ein Archiv aufgebaut sowie wissenschaftliche Zeitschriften veröffentlicht und mehrere Ausstellungen organisiert. Mit dem großen Engagement von Ehrenamtlichen arbeitet der Verein an mehreren Projekten und über verschiedene Themen des Widerstands. Im Jahr 2022 eröffnete der Studienkreis in den Frankfurter Adlerwerken im ehemaligen KZ-Außenlager „Katzbach“ eine neue Gedenkstätte mit dem Schwerpunktthema Zwangsarbeit. Der Artikel beleuchtet die Entwicklung des Studienkreis, die Einrichtung der Gedenkstätte, Formen der Zusammenarbeit und aktuelle Herausforderungen in der Vereinsarbeit.

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