Der 11. November 1940, ein erster öffentlicher Akt des Widerstands in Paris
Am 11. November 1940, einige Monate nach dem Beginn der Besetzung eines Teils Frankreichs durch Nazideutschland, beschlossen Hunderte von Pariser Gymnasiasten und Universitätsstudenten zu demonstrieren. Sie taten dies auf den Champs-Élysées, von wo sie sich zu einem der symbolträchtigsten Denkmäler der Hauptstadt begaben, dem Arc de Triomphe (Triumphbogen). Auch das Datum war nicht zufällig gewählt: der 11. November 1918 stand für den Sieg über Deutschland im Ersten Weltkrieg. Bei dieser Demonstration handelte sich um eine der ersten koordinierten öffentlichen Aktionen des Widerstands auf französischem Territorium nach dem Aufruf von General de Gaulle vom 18. Juni 1940 in London.
Das Antlitz von Paris hatte sich seit Juni 1940 radikal verändert, mit allgegenwärtigen Nazi-Uniformen, Straßenschildern in deutscher Sprache und wehenden Hakenkreuzfahnen. Nach der Panik der ersten Wochen verlief der Beginn des Schul- und Universitätsjahres fast normal, und die Mehrheit der Beamten und Lehrer hatte sich mit der Situation arrangiert. Doch dabei hatte man nicht mit der rebellischen Haltung und dem Widerstandsgeist einiger Studenten gerechnet. Ab September werden vor allem im Universitätsviertel Quartier Latin Eier oder Tomaten geworfen, während an den Wänden mit weißer Farbe aufgetragene „V“-Zeichen (für „Victory“) prangen, in den Straßen „Vive de Gaulle“-Rufe (Es lebe de Gaulle) ertönen und in Bibliotheken Anti-Nazi-Flugblätter hinterlegt werden. Die Entscheidung der Vichy-Regierung, den 11. November nicht mehr zu begehen und als Feiertag abzuschaffen, sowie die Verhaftung von Paul Langevin, Professor am Collège de France und eine echte wissenschaftliche Autorität, verwandeln die in der Luft liegende Unzufriedenheit in eine stärker strukturierte Bewegung, motiviert durch die Ablehnung der deutschen Besatzung, und die am 11. November ihren Höhepunkt erreicht.
An diesem Tag legen Gruppen von Studenten im Morgengrauen Blumen am Grab des Unbekannten Soldaten unter dem Arc de Triomphe nieder, dem Symbol des heroischen Widerstands gegen Deutschland. Am späten Nachmittag versammeln sich fast 3.000 Menschen und stimmen die Marseillaise an, die französische Nationalhymne, oder rufen „Vive de Gaulle„. Deutsche Soldaten, unterstützt von der französischen Polizei, greifen mit Gewehrkolben und Warnschüssen ein, um die Demonstranten zu vertreiben. Deren Durchschnittsalter beträgt kaum 18 Jahre. Es gibt etwa fünfzehn Verletzte und rund 200 Festnahmen. Am nächsten Tag werden alle Pariser Universitäten vom deutschen Militärkommando für einige Wochen geschlossen.
Dieser erste öffentliche Akt des Widerstands war bemerkenswert, weil er relativ früh stattfand und keine tiefergehenden politischen Wurzeln hatte, auch wenn einige Gymnasiasten oder Studenten Sympathien für kommunistische Ideen hatten. Während eine schweigende Mehrheit sich mit einer entwürdigenden Besatzung abfand, zeigten diese jungen Menschen, dass es einen anderen Weg gab: Sich zu engagieren und sich nicht mit Gewalt und Willkür abzufinden.
Yvan Gastaut