Die „muslimischen Resolutionen“ von 1941-1942
Ist es ein Akt des Widerstands, wenn man sich gegen Gewalt ausspricht? Es gibt viele Definitionen von Widerstand und die Antwort auf diese Frage hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zwei zusätzliche Fragen stellen sich. Zum einen: Ist es ein Akt des Widerstands, sich gegen Gewalt auszusprechen, wenn man Teil des Herrschaftssystems ist, das diese Gewalt ausübt? Zum anderen: Kann selektiver Protest als Widerstand betrachtet werden?
Als das Ustascha-Regime 1941 seine antiserbische Kampagne in Kroatien und Bosnien und Herzegowina begann, versuchte es gleichzeitig, die Muslime (Bosniaken) als islamisierte Kroaten und damit als einen Teil der kroatischen Nation zu definieren und damit für sich einzunehmen. Und da sich ein kleinerer Teil der muslimischen Bevölkerung nicht nur an den neuen politischen Strukturen, sondern auch an Verbrechen gegen die Serben beteiligte, liefen die Muslime Gefahr, kollektiv als Verbrecher stigmatisiert zu werden. Als viele Serben zu den Waffen griffen, um sich gegen ihre Vernichtung zu wehren, kam es in verschiedenen Regionen, die von den kommunistischen Partisanen noch nicht oder nur teilweise kontrolliert wurden, zu Racheakten und Vergeltungsmaßnahmen gegen Muslime. Am berüchtigtsten war das Beispiel von Kulen Vakuf in Westbosnien, wo die Rebellen im September 1941 viele muslimische Zivilisten töteten.
Daraufhin verfassten Gruppen muslimischer Bürger − darunter Geistliche, Politiker, Kaufleute und Verwaltungsangestellte ‒ in mehreren bosnisch-herzegowinischen Städten Petitionen, die sie an die Regierung oder einige ihrer offiziellen Vertreter richteten. Es gab mindestens neun solcher Petitionen. Die meisten von ihnen protestieren gegen die nachgeordnete Stellung der Muslime gegenüber den Katholiken im Unabhängigen Staat Kroatien und brachten die Angst vor einer kollektiven Stigmatisierung für die Taten einiger weniger zum Ausdruck. Einige fügen hinzu, dass diese Stigmatisierung mit der Verwendung des Fez (die traditionelle muslimische Kopfbedeckung) durch die Ustascha in Bosnien absichtlich herbeigeführt worden sein könnte. Viele der Petitionen verurteilten die Gewalt gegen die Serben und versuchten, die muslimischen Romani zu schützen. Nur in einer der Petitionen wurde kurz erwähnt, dass die Juden verfolgt wurden, während sich keine Petition gegen die Achsemächte wandte oder das Regime als solches in Frage stellte.
Diese „muslimischen Resolutionen“ entziehen sich folglich einer einfachen Definition. Ihre Botschaft wird zudem durch die Vielfalt der Unterzeichner und ihre widersprüchlichen Handlungen erschwert. Einer von ihnen, Murat-beg Pašić aus Bijeljina, beteiligte sich an der antiserbischen Kampagne und unterzeichnete dann eine Petition gegen eben diese Taten. Wie viele andere Unterzeichner versuchte er seine Interessen eng mit denjenigen der deutschen Besatzer in Einklang zu bringen. Ein weiterer Unterzeichner, der Mufti von Tuzla, Muhamed Šefket Kurt, verhinderte aktiv eine von den Ustascha für das orthodoxe Weihnachtsfest 1942 geplante Massenexekution von Serben. Aus der muslimischen Jugend folgten schließlich viele dem Aufruf der Kommunisten, sich dem bewaffneten Kampf anzuschließen ‒ anstatt sich mit dem Schreiben von Resolutionen zu begnügen. Unter ihnen waren auch Kurts zwei Söhne, die beide als Partisanen starben.
Vladan Vukliš, Dino Dupanović & Nedim Pustahija